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Schneetreiben

Schneetreiben

Titel: Schneetreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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Mann blickte ihn finster an, hielt ihn aber nicht
zurück. Gratczek schlüpfte durch die Tür und trat in den Barbereich. Er sah
sich um. Zuckende und blinkende Lichter kreisten durch die leeren Räume. Der DJ baute gerade seine
Plattensammlung auf und machte einen Soundcheck. Hinterm Tresen spülten zwei
Barkeeper Gläser im Akkord, dahinter sortierte eine blonde Frau Schnapsflaschen
ins Regal.
    Das musste sie sein. Gratczek trat an den Tresen.
    »Entschuldigen Sie. Jana Tramp?«
    Die blonde Frau blickte sich erstaunt um. Sie betrachtete ihn von
oben bis unten und wirkte dabei nicht so, als habe sie jeden Tag Kontakt mit
Männern in edlen Anzügen.
    »Ja?«, fragte sie verblüfft.
    »Mein Name ist Gratczek, ich bin von der Polizei.«
    Der überraschte Ausdruck verschwand. »Ach so.«
    »Sie haben am vergangenen Dienstag eine Party in Ihrer Wohnung
veranstaltet und unter anderem auch Ihren Kollegen Tilmann Feth eingeladen. Ist
das richtig?«
    »Wollen Sie mich verarschen? Das habe ich Ihren Kollegen schon
zigmal gesagt.«
    »Also stimmt es?«
    »Ja, verdammt. Zum hundertsten Mal.«
    »War Tilmann Feth den ganzen Abend über auf Ihrer Party?«
    »Ja, den ganzen Abend. Tilmann war den ganzen Abend über dort.« Sie
verschränkte die Arme und stützte sich auf den Tresen. »Hören Sie, Tilmann war
einer der letzten Gäste. Ich hab ihn noch zusammen mit ’ner Freundin ins Taxi
tragen müssen, so besoffen war der. Sie können mir glauben: Der war auf jeden
Fall bei uns. Es gibt keinen Zweifel.«
    »Und Sie sind sicher, dass er zwischendurch nicht für ein oder zwei
Stunden abwesend war?«
    »Klar bin ich das.«
    Einer der beiden Kollegen am Spülbecken, ein muskulöser Mann mit
tätowierten Oberarmen, stellte ein Glas ab und blickte auf.
    »Wie willst du dir da so sicher sein?«, meinte er. »Ich war ja auch
auf der Party, und ich könnte nicht sagen, ob da einer mal weg war oder nicht.
Das war doch total voll und durcheinander bei dir.«
    Sie stöhnte auf. »Wo soll der denn gewesen sein? Fang du nicht auch
noch an.«
    Er stieß seinen Kollegen an, der neben ihm am Spülbecken stand.
»Hey, Bernd, es könnte doch sein, dass Tilmann auf der Party für zwei Stunden
weg war, oder? Mal ganz ehrlich.«
    Sein Kollege warf einen skeptischen Blick auf den Polizisten. »Keine
Ahnung. Ich will echt niemanden anschwärzen. Ist doch auch egal, oder?«
    »Jetzt sag mal.«
    »Na ja, recht hast du wohl. Da kann alles Mögliche gewesen sein auf
der Party. Ich weiß noch, dass ich ziemlich voll war. Vielleicht war ich ja
auch für zwei Stunden weg, wer weiß das schon.«
    Die blonde Frau tat, als hätte es den Einwand nicht gegeben.
    »Tilmann ist so gegen zehn gekommen, er hat gut gefeiert, und später
war er ziemlich besoffen. Die Party war vorbei, und wir mussten ihn ins Taxi
tragen. Das ist die ganze Geschichte.«
    Gratczek lächelte. »Also, wenn ich es richtig verstanden habe, dann
heißt das: Es wäre theoretisch möglich, dass er für ein oder zwei Stunden weg
war?«
    Sie verdrehte die Augen. »Theoretisch wäre auch möglich, dass in
meinem Keller Heinzelmännchen leben. Was soll der Quatsch? Glauben Sie etwa,
dass Tilmann Sandra ermordet hat? Da kann ich Ihnen wirklich mein Wort geben,
dass der so etwas niemals tun würde. Da sind Sie wirklich auf dem Holzweg.«
    Daher also weht der Wind, dachte Gratczek. Sie kann sich ganz
einfach nicht vorstellen, dass ihr Kollege zu einem Mord fähig ist.
    »Vielen Dank«, sagte er. »Sie haben mir sehr geholfen.« Er wandte
sich ab und steuerte den Ausgang an.
    »Schnösel!«, hörte er sie murmeln, doch er reagierte nicht darauf.
Er hatte erreicht, was er wollte.
    In der Tür zum Vorraum stieß er um ein Haar mit Miriam Voss
zusammen.
    »Guten Abend, Frau Voss!«, sagte er überrascht. Seit der
denkwürdigen Befragung in ihrer WG-Küche
hatte er sie nicht mehr gesehen.
    Miriam Voss schien wenig erfreut über diese Begegnung. Ihr Gesicht
verfinsterte sich. »’n Abend«, sagte sie knapp, sah zu Boden und bahnte sich
einen Weg an ihm vorbei.
    Gratczek sah ihr nach. Sie marschierte geradewegs hinter den Tresen,
stellte ihre Tasche unter einen Tisch und machte sich ohne Umschweife daran,
Zitronen zu schneiden. Doch ihre Bewegungen wirkten verkrampft und unnatürlich.
    Nach einer Weile blickte sie auf. Als sie bemerkte, dass er noch
immer in der Tür stand und sie beobachtete, wandte sie den Blick sofort wieder
ab.
    Gratczek hatte bereits bei ihrem ersten Kontakt das Gefühl gehabt,
dass sie

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