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Schneetreiben

Schneetreiben

Titel: Schneetreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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wüsste, würde ich
das doch nicht für mich behalten. Bist du wahnsinnig?« Sie schüttelte heftig
den Kopf. »Gerade dir würde ich es sagen, zuallererst. Wir sind schließlich
Freundinnen.«
    »Na gut. Ich verstehe.«
    Klara blickte nochmals zur Tennentür. Der Rahmen des rautenförmigen
Fensters schimmerte im indirekten Licht, an der Scheibe klebte die schwarze
Nacht.
    »Ist denn da irgendwas?«, fragte Lina.
    Klara wandte sich ab.
    »Nein, da ist nichts«, sagte sie. »Lass uns wieder reingehen.«

15
    Es war totenstill im Haus. Auf dem Küchentisch flackerten
ein paar Kerzen und tauchten den Raum in ein sanftes Licht. Hambrock saß mit
verschränkten Armen auf der Bank und wartete auf Ingeborg, die ihre beiden
jüngeren Kinder ins Bett brachte.
    Er fror. Seit die Heizung ausgefallen war, kühlte das Haus immer
weiter aus. Er hatte sich bereits den Mantel übergezogen, aber der konnte auch
nichts ausrichten gegen kalte Finger und kalte Nasenflügel.
    Auf dem Tisch stand ein Stövchen, auf das Ingeborg eine mit Wasser
gefüllte Teekanne gestellt hatte. Sie versuchte Wasser aufzuheizen, um es ins
Aquarium zu gießen und somit die Temperatur zu halten, bis der Strom
zurückkehrte. Hambrock wusste nicht, ob dies ein guter Plan war, um die Fische
am Leben zu halten, doch etwas Besseres fiel ihm auch nicht ein.
    Ingeborg tat so, als mache sie sich Sorgen um die Fische, aber in
Wahrheit dachte sie an Klara. Auch wenn sie kein Wort darüber verlor, wusste er
doch, dass sie Angst um ihre Tochter hatte. Draußen war es stockfinster,
nirgendwo gab es den allerkleinsten Hinweis auf die Existenz anderer Menschen.
Die Lichter der Höfe waren erloschen, auf den Straßen war kein Auto mehr
unterwegs. Es schien, als wären sie ganz allein auf der Welt.
    »So etwas habe ich noch nicht erlebt«, hatte Ingeborg vorhin gesagt
und sorgenvoll aus dem Fenster geblickt. »Nicht einmal ein Autoscheinwerfer ist
auf der Hauptstraße zu sehen.«
    »Wenn du willst, mache ich mich auf den Weg und sehe bei Burtrups
nach dem Rechten«, hatte er daraufhin vorgeschlagen.
    »So ein Unsinn, bist du verrückt geworden? Es sind fast drei
Kilometer bis zu ihrem Hof. Wie willst du denn dorthin kommen? Wenn du dich zu
Fuß auf den Weg machst, wirst du bei diesem Wetter Stunden benötigen. Der
Schnee liegt doch beinahe knietief, und dann kommt noch der Sturm dazu.«
    »Ich werde schon hinkommen. Das Angebot ist ernst gemeint. Wenn du
möchtest, gehe ich gleich zu ihnen rüber.«
    »Das lässt du schön bleiben! Ich möchte nicht, dass du dich in
Gefahr bringst. Außerdem ist das doch völliger Unsinn. Was sollte denn schon
sein? Klara ist in Sicherheit, es sind dort eine Menge Leute bei Burtrups.
Bleiben wir realistisch. Wahrscheinlich ist sie drüben sicherer als hier.«
    Damit war die Diskussion beendet gewesen. Hambrock hatte noch
überlegt, ob er sich nicht einfach darüber hinwegsetzen und trotzdem gehen
sollte. Doch er sollte ihren Wunsch respektieren.
    Die Küchentür öffnete sich, und Ingeborg kehrte zurück. Sie trug
zwei Pullover übereinander und hatte sich dazu noch eine Strickjacke über die
Schultern geworfen.
    »Die beiden schlafen jetzt«, sagte sie und setzte sich zu Hambrock
an den Tisch. Dann umfasste sie die Teekanne, um die Temperatur des Wassers zu
überprüfen. »Immer noch nicht warm. Die armen Fische.« Sie lehnte sich zurück
und betrachtete ihn mit einem Lächeln. »Also, Herr Hauptkommissar: Was, denken
Sie, machen wir jetzt mit dem angebrochenen Abend?«
    Er lachte. »Ich habe keine Ahnung. Zeit haben wir jedenfalls zur
Genüge.«
    »Wer hätte das gedacht? Jetzt hocken wir beide zusammen und sind
abgeschnitten vom Rest der Welt. Dabei wussten wir vor einer Woche gar nicht,
dass es uns überhaupt noch gibt.«
    »Tja, wenn Martin Probst nicht ausgebrochen wäre, hätte solch ein
Treffen sehr charmant sein können«, flirtete Hambrock.
    Doch Ingeborg wurde ernst. »Wenn Martin Probst nicht ausgebrochen
wäre, hätten wir uns wohl nie im Leben wiedergesehen. Seinetwegen sitzen wir
hier, vergiss das nicht.«
    Er wusste nicht, was er darauf erwidern sollte.
    »Woran denkst du?«, fragte Ingeborg.
    Ihre Haut schimmerte im warmen Schein der Kerzen. Er beschloss, ihr
gegenüber ehrlich zu sein.
    »Ich dachte gerade daran, wie ich damals die Ermittlungen verfolgt
habe. Als die Sache mit Klara passiert ist.«
    »Du wusstest davon? Damals schon?«
    »Ja. Ich war zwar in einer anderen Abteilung und hatte mit dem Fall
nichts zu tun.

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