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Schneetreiben

Schneetreiben

Titel: Schneetreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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Dennoch habe ich mich auf dem Laufenden gehalten. Ich habe die
Vernehmungsberichte gelesen und später den Prozess gegen Martin verfolgt. Es
war ein grässliches Verbrechen, das er begangen hatte. Gerade, wenn man die
Einzelheiten kannte. Ich habe damals oft an dich gedacht.«
    Ingeborg sah ihn lange an. »Du hättest mal vorbeischauen können. Ich
hätte weiß Gott jemanden brauchen können, der mir zuhört. Außer den Kindern war
ja niemand da.«
    »Ich weiß. Und es tut mir leid. Ich wusste damals einfach nicht, ob
es das Richtige ist.«
    Sie betrachtete ihn noch immer aufmerksam. Dann nickte sie. Offenbar
reichte ihr das als Erklärung.
    Doch Hambrock wollte die ganze Wahrheit sagen. Er hatte das Gefühl,
dass sie ein Recht hatte, alles zu erfahren. Er legte also seine Beichte ab.
    »Ich war zu dieser Zeit noch nicht sehr lange mit Erlend
verheiratet, weißt du? Wir haben versucht, Kinder zu bekommen. Aber das hat
nicht funktioniert. Wie sich später herausstellte, lag es an mir.« Er grinste
gequält. »Es ist wohl so, dass ich Blindgänger verschieße.«
    Ingeborg schwieg und wartete mit ernstem Gesicht darauf, dass er
weiterredete.
    »Irgendwie waren wir wie besessen von der Idee, Kinder in die Welt
zu setzen. Wir wollten unbedingt welche. Wir haben uns in diese Sache
regelrecht hineingesteigert. Es ging so weit, dass wir uns gegenseitig
beschuldigten. Und als erst einmal ein Riss in unserer Beziehung war, da traten
auch andere Probleme zum Vorschein. Es war einfach keine gute Zeit für uns.«
    Nun wollte sie es doch genauer wissen. »Und deshalb hast du mich
nicht gefragt, ob ich deine Unterstützung brauche?«
    Hambrock seufzte schwer. Andeutungen reichten offenbar nicht aus.
    »Ich habe dich nicht gefragt, weil ich Angst hatte, die Kontrolle zu
verlieren.« Er zögerte. »Ich habe … einen Stich verspürt, als ich deinen
Namen hörte. Es war, als wäre ich mit einem Mal zurückgebeamt worden in die
Zeit, in der wir ein Paar waren. Ich wusste zwar, dass ich älter geworden bin
und der Lack bei mir so ziemlich ab war. Doch an meinen Gefühlen zu dir hatte
sich nichts verändert. Ich dachte, dass ich dich noch immer lieben würde. Mehr
als Erlend jedenfalls.«
    Nun war es also heraus. Er fühlte sich seltsam erleichtert, auch
wenn er nicht wusste, wie sie reagieren würde.
    »Ich hatte Angst davor, nach Birkenkotten zu gehen«, sagte er, »weil
ich fürchtete, dass meine Ehe mit Erlend damit beendet wäre. Ich wollte dich
nicht im Stich lassen. Nur – ich konnte dir einfach nicht helfen.«
    Ingeborg erwiderte nichts darauf. Sie zupfte einen Faden aus dem
Bündchen ihrer Strickjacke hervor.
    »Und wenn du möchtest, dass ich zu Burtrups gehe und dort nach dem
Rechten sehe, dann tue ich das wirklich sehr gern.«
    Sie blickte auf und schüttelte den Kopf. »Ach, Bernhard, ich denke,
wir sollten besser aufhören, die alten Geschichten …«
    Plötzlich riss sie die Augen auf. Sein Geständnis schien mit einem
Streich vergessen zu sein. Sie sah ihn aufgeregt an.
    »Die Schneeketten!«
    »Wie bitte?«
    »Natürlich! Wie konnte ich das nur vergessen? Ich habe ja
Schneeketten. Wir waren vor ein paar Jahren im Winterurlaub in Norwegen, dafür
habe ich sie gekauft.« Sie runzelte die Stirn, und ihre Augen wanderten unruhig
durch den Raum. »Die Frage ist nur, wo ich sie verstaut habe. Sie könnten in
der Scheune sein … Oder habe ich sie
in den Keller gebracht?«
    Hambrock musste unfreiwillig lachen. Ordnung war wirklich nicht
Ingeborgs Stärke. Das Lachen hatte nach seinem Geständnis etwas Befreiendes.
    Sie sah ihn verständnislos an. »Was ist denn jetzt so witzig?«
    »Nichts, entschuldige.« Er stand auf. »Ich würde sagen, wir begeben
uns auf die Suche. Je eher wir die Ketten gefunden haben, desto eher kann ich
mich auf den Weg machen.«
    Ingeborg stand ebenfalls auf. »Du liebe Güte, das sagst du so
leicht. Wenn du wüsstest, wie es in meinem Keller aussieht. Wenn wir Pech
haben, suchen wir morgen früh noch danach.«
    »Na, so schlimm wird es schon nicht sein.«
    Und wenn das Chaos tatsächlich so groß war, dachte er, wäre Ingeborg
in dem Fall zumindest abgelenkt und würde nicht immerzu an Klara denken müssen.
Auch wenn diese Schneeketten überhaupt nicht mehr existierten.
    Später saß Klara wieder auf der Bank am Herdfeuer,
eingehüllt in ihre Wolldecke, und blickte in die Flammen. Sie beteiligte sich
nicht an dem Gespräch der anderen und hing stattdessen ihren Gedanken nach.
    Inzwischen waren nur

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