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Schneetreiben

Schneetreiben

Titel: Schneetreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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noch Marc und Lina da, das Kartenspiel war
beendet, und die beiden unterhielten sich über das Wetter. Jens war der Kopf
auf die Brust gefallen, und er schnarchte leise vor sich hin. Das Herdfeuer
wurde kleiner, und gleich würde man entscheiden müssen, ob noch frische Scheite
nachgelegt werden sollten oder ob sie stattdessen zu Bett gehen würden.
    Klara war mit ihren Gedanken bei Martin Probst. Er war in der
Scheune, keine fünfzig Meter von ihr entfernt. Davon war sie inzwischen
überzeugt.
    Jetzt, da der Schnee sie von der Außenwelt abgeschnitten hatte, war
sie auf sich allein gestellt. Sie wusste, was sie zu tun hatte. Sie hatte keine
Wahl. Wenn sich die anderen gleich ins Bett legten und einschliefen, dann würde
sie hinaus in die Scheune gehen und der Sache ein Ende bereiten.
    Sie hatte sich diesen Kampf nicht ausgesucht. Doch wenn sie ihre
Selbstachtung zurückerlangen und wieder ein normales Leben führen wollte, dann
musste sie sich wehren. Sie durfte ganz einfach keine Angst haben.
    Ein glühender Holzscheit brach auseinander, an den Bruchstellen
loderten die Flammen auf. Lina legte den Arm um sie.
    »He, Süße, alles in Ordnung?« Ihre Stimme war sanft und flüsternd.
»Du sagst ja gar nichts mehr.«
    Klara sah auf. Die Augen ihrer Freundin schimmerten im Schein des
Feuers. Wie gern hätte sie Lina in ihren Plan eingeweiht. Doch sie wusste nicht
mehr, wem sie trauen konnte. Nur wenn sie das alles für sich behielt, konnte es
von keinem sabotiert werden.
    »Ich bin müde, das ist alles.«
    »Wir können gleich hochgehen«, sagte Lina. »Das Feuer ist ohnehin
bald niedergebrannt.«
    »Nein!«, sagte Klara eine Spur zu heftig. Sie versuchte Ruhe zu
bewahren. »Lass uns noch ein paar Scheite nachlegen. Es sind die letzten,
versprochen, danach gehen wir ins Bett.«
    Lina runzelte die Stirn. »Meinetwegen.« Sie deutete lachend auf
Jens. »Ich fürchte nur, dass du das jetzt machen musst. Unser Herr des Feuers
ist offensichtlich indisponiert.«
    Marc stieß Jens in die Rippen, doch der brummelte nur unwillig und
schlief dann weiter. Lina öffnete eine weitere Bierflasche, und Klara legte
Holz nach.
    Einen Moment lang versuchte sie, alles um sich herum zu vergessen.
Sie genoss den Frieden in dem vom Sturm umbrandeten Bauernhaus. Sie schöpfte
Kraft.
    Gleich wird der Augenblick vorüber sein, dachte sie, und wenn das
Feuer heruntergebrannt ist und du hinaus in die Scheune gehst, dann wirst du
diese Kraft benötigen. Dann wirst du dir selbst und allen anderen beweisen
können, dass du nicht schwach bist.
    Der Wind rüttelte am Dach des Hauses, dann ließ er nach, und sie
hörte nur noch das leise Knistern der Flammen.

16
    Dorothea Probst stand im Schlafzimmer vor der offenen
Schranktür und zog frische Bettbezüge heraus. Im Schein der bauchigen Kerze
nahm sie die Oberbetten, die sie aus dem Keller geholt hatte, und zog die
Bezüge darüber.
    Die beiden Polizisten würden bei ihr übernachten, einer im
Gästezimmer und der andere unten im Wohnzimmer. Sie hatte zuerst überlegt, ob
sie den anderen nicht in Martins altem Zimmer unterbringen sollte, doch dann
hatte sie sich dagegen entschieden.
    Das Auto der Polizisten war inzwischen unter einem Schneeberg
verschwunden. Im Wagen konnten sie nicht übernachten, dazu war es zu kalt,
außerdem war der Polizeifunk ausgefallen, wie alles andere auch. Irgendwann am
Nachmittag war sie zu den Polizisten hinausgegangen und hatte sie ins Haus
eingeladen. Völlig durchgefroren und ohne Kontakt zu ihrer Dienststelle hatten
sie das Angebot liebend gern angenommen.
    »Sie brauchen sich nicht zu bedanken«, hatte sie gesagt. »Das ist
doch selbstverständlich.«
    »Das ist alles andere als selbstverständlich, Frau Probst«, war die
prompte Antwort gewesen. »Andere in Ihrer Situation hätten darüber gelacht,
dass wir in dieser Schneehölle festfrieren.«
    Sie hatte die beiden in die Küche geführt und ihnen eine warme
Mahlzeit zubereitet. Es waren nette Menschen, diese beiden Polizisten. Der
eine, der sehr beleibt war, hatte sich zunächst schweigsam und zurückhaltend
gezeigt. Doch mit ihren berühmten Apfelpfannkuchen hatte sie das Eis gebrochen,
und er war zunehmend geselliger geworden. Der andere, ein drahtiger Junge mit
einem Gesicht voll blasser Sommersprossen, war dagegen von Anfang an sehr
gesprächig gewesen. Während sie in der Küche zusammensaßen, erzählte er
unentwegt Geschichten von seiner Ausbildung, wo er in einem Essener
Rotlichtbezirk gearbeitet hatte. So

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