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Schneetreiben

Schneetreiben

Titel: Schneetreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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zunehmend. Er fand, dass es
im Augenblick für keinen im Raum einen Grund gab, zufrieden dreinzublicken.
Nicht bei dem, was Tilmann Feth hier auftischte.
    »Würden Sie Ihre Aussage bitte wiederholen?«, forderte Gratczek ihn
auf.
    Tilmann Feth nickte. »Ich war zur Tatzeit in Birkenkotten und habe
Sandra tot im Graben liegen sehen, aber ich habe sie nicht ermordet.« Dann warf
er einen Seitenblick zu seinem Anwalt, der ihm aufmunternd zunickte. »Ich habe
sie nicht ermordet«, sagte Tilmann Feth bestimmt. »Ich war es nicht.«
    »Und wer war es dann?«, fragte Gratczek.
    »Das weiß ich nicht.«
    »Haben Sie die Tat beobachtet? Haben Sie jemanden vom Tatort fliehen
sehen?«
    Feth zögerte. »Ich kann mich nicht erinnern.«
    Gratczek hob eine Augenbraue. »Sie können sich nicht erinnern?« Das
wurde ja immer besser.
    »Ich erinnere mich daran, dass Sandra tot im Graben lag. Danach ist
alles weg. Ich weiß erst wieder, wie ich im Auto saß, auf dem Weg zurück nach
Münster.«
    »Wenn Ihre Erinnerung so lückenhaft ist, wie können Sie sicher sein,
dass Sie Ihre Exfreundin nicht ermordet haben?«
    »Ich weiß es eben.« Es klang nicht sehr überzeugend.
    Der Anwalt mischte sich ein. »Mein Mandant wurde durch das Auffinden
der Leiche traumatisiert. Erinnerungslücken sind nach einem Schock völlig
normal.«
    Gratczek sah verdattert von einem zum anderen. Wollt ihr mich
verarschen?, dachte er.
    »Also gut. Fangen wir von vorne an. Schildern Sie bitte noch einmal
die Ereignisse des Tages, an dem Sandra Hahnenkamp ermordet wurde.«
    Feth blickte zu seinem Anwalt, der ihm zunickte, dann begann er, die
ganze Geschichte von vorne zu erzählen.
    »Ich bin am Nachmittag zu ihr gefahren. So gegen drei Uhr war das.
Ich wollte mit ihr sprechen, ich wollte, dass sie mir noch eine Chance gibt.
Sie ließ mich in die Wohnung, und wir gingen in ihr Zimmer. Sie sagte, sie
liebt mich nicht mehr, es wäre vorbei. Ihre Gefühle für mich hätten sich
einfach davongemacht, es täte ihr leid, doch es wäre nun mal nicht zu ändern.
Aber so einfach war das für mich nicht, denn meine Gefühle hatten sich nicht
verändert. Ich wollte mit ihr alt werden, verstehen Sie? Ich habe sie geliebt.
Doch sie hat mich einfach vor die Tür gesetzt. Also bin ich nach Hause
gegangen.«
    »Wie spät war es da?«, fragte Gratczek.
    »Halb vier, vielleicht auch viertel vor vier.«
    »Was haben Sie dann gemacht?«
    »Ich hab mich vor den Fernseher geworfen. Ich war ziemlich fertig.
Dann hatte ich irgendwann die Idee, Sandra abzupassen, wenn sie allein ist,
damit ich ungestört mit ihr reden konnte. Bei ihr in der WG saß ja immer die
Mitbewohnerin im Nebenraum. Da hatte ich keine Ruhe. Doch zunächst bin ich auf
die Party von Jana gefahren.«
    »Ist das nicht ungewöhnlich? Da lässt Ihre Freundin Sie sitzen, und
Sie gehen auf die nächste Party? Obwohl Sie 
gerade beschlossen haben, ihr aufzulauern?«
    »Ich wollte mich ablenken, ich wollte an etwas anderes denken.
Deshalb bin ich dahin. Das mit dem Auflauern war ja auch nur so eine vage Idee
gewesen. Doch auf der Party habe ich es nicht ausgehalten. Ich konnte die
vielen Leute und die gute Laune kaum ertragen. Dann ist mir eingefallen, dass
Sandra an diesem Abend nach Birkenkotten fahren wollte. Ich dachte, vielleicht
ist es eine gute Gelegenheit, mit ihr allein zu reden. Ich musste sie nur an
der Haltestelle abfangen. Der Bus war bereits am Hauptbahnhof abgefahren, aber
ich glaubte, ihn auf dem Weg nach Birkenkotten leicht einholen zu können. Ich
bin also von der Party verschwunden, ohne was zu sagen, und habe mich auf den
Weg gemacht. Doch als ich in Birkenkotten ankam, war der Bus schon da gewesen.
Ich habe am Bushäuschen gehalten, um darüber nachzudenken, was ich als nächstes
tun sollte. Ich bin raus aus dem Auto, um mir die Beine zu vertreten, und dann … dann
lag sie da, im Straßengraben. Mir war sofort klar, dass sie tot ist.«
    Gratczek bemerkte, dass er, während Tilmann Feth gesprochen hatte,
tief in seinen Sitz gesunken war. Er rappelte sich auf, atmete durch und
begann, sich alles noch einmal erzählen zu lassen. Er hatte die Hoffnung, dass
Tilmann Feth sich irgendwann in Widersprüchen verstricken würde. Aber das
passierte nicht.
    Irgendwann platzte Gratczek der Kragen.
    »Ihnen muss doch klar sein, was Sie mir hier erzählen! Kein Mensch
wird glauben, dass Sie unschuldig sind. Bei all den Lügen, die Sie uns bereits
aufgetischt haben!«
    »Das warten wir erst einmal ab«, sagte der

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