Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schneetreiben

Schneetreiben

Titel: Schneetreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
Vom Netzwerk:
Wort ab. »Denn das ist er trotz
allem: ein Mensch. Und das weißt du auch.«
    Sie verschränkte die Arme. »Vielleicht hat er es ja trotzdem
verdient.«
    »Ich glaube nicht, dass du verstehst, was ich meine.« Er rückte
näher an sie heran. »Weißt du, Klara, ich habe durch meinen Beruf sehr viele
Mörder kennengelernt. Leute, die ihre Frau erwürgt haben. Oder einen
Taxifahrer, wegen fünfzig Euro. Ich hatte mal eine Mörderin, die ihren Mann im
Schlaf erstochen hat. Und dann sogar einen Siebzehnjährigen, der einen
Obdachlosen mit Benzin übergossen und angesteckt hat. Soll ich dir sagen, was
viele von denen gemeinsam haben?«
    Sie antwortete nicht.
    »Sie übernehmen keine Verantwortung«, sagte er. »Sie wollen sich
später an die Tat nicht mehr erinnern können. Oder sie tun, als ob sie zu dem
Zeitpunkt ferngesteuert gewesen wären. Manche geben dem Alkohol die Schuld,
andere den Opfern, die so laut geschrien haben, dass ihnen angeblich gar keine
Wahl geblieben sei. Dann wieder waren es die Schulden, manchmal der Boss, sogar
die Polizei wird verantwortlich gemacht. Am Ende sitzen sie dann alle in ihrer
Zelle und jammern und klagen und tun sich selber furchtbar leid.« Er lächelte.
»Man soll es nicht für möglich halten, doch das sind die Mörder, die ich kenne.
Ein Haufen von Feiglingen.«
    Sie starrte schweigend auf den Flokati.
    »Und was wäre, wenn du einen Menschen getötet hättest? Denkst du,
dass du genauso wärst wie sie? Dass du dir selbst leid tun würdest?«
    Ihre Schultern verkrampften sich.
    »Vielleicht ist er es ja wert«, flüsterte sie.
    »Nein, das ist er nicht. Schuld lastet schwer. Viel zu schwer. Das
weißt du, oder?«
    »Aber was kann ich denn tun?« Ihre Stimme war kaum mehr als ein
Wispern. »Ich muss doch etwas tun können.«
    »Du kannst dabei helfen, Martin ins Gefängnis zu bringen.«
    Sie schnaubte, und plötzlich kehrte Leben in sie zurück. »Dort war
er doch schon ein paar Mal! Zum Beispiel war er dort, bevor man ihn entlassen
hat und er danach die Frauen in Brandenburg vergewaltigen konnte.«
    »Damals ist er nach dem Jugendstrafrecht verurteilt worden. Das wird
nicht noch einmal passieren. Wenn wir ihn gefasst haben, wird er nicht so
schnell wieder auf freien Fuß kommen.«
    Im Grunde hast du ganz andere Probleme, dachte Hambrock. Du musst
dich deinen Verletzungen stellen und deiner zerrissenen Seele. Darum sollte es
dir gehen und nicht um Martin Probst.
    Ingeborgs Stimme drang durchs Haus. Sie klang fröhlich, doch er
wusste, dass es nur aufgesetzt war.
    »Klara! Bernhard! Kommt schnell runter! Wir haben frischen Kaffee!«
    Sie sahen sich an. Der intime Moment war vorüber.
    »Kaffee klingt gut«, sagte sie. »Wir sollten runtergehen.«
    Er stand auf. »Also gut.«
    Bevor sie hinausgingen, hielt er sie am Arm fest.
    »Versprichst du mir etwas?«, fragte er.
    »Was denn?«
    »Hilfst du mir bei der Suche nach Sandras Mörder?«
    »Ich denke, Martin …«
    »Möglich, dass er es getan hat. Doch sicher sind wir nicht.
Inzwischen spricht sogar vieles dagegen.«
    »Aber wie kann ich da helfen?«
    Tilmann Feth muss in Birkenkotten jemanden kennen, der ihm geholfen
hat, dachte Hambrock. Einer muss ihm gesagt haben, dass er im Vereinshaus
untertauchen konnte.
    »Können wir später miteinander reden? Ich möchte, dass du mir alles
über die Landjugend erzählst. Ich habe eine ganze Menge Fragen. Vor allem aber möchte ich, dass du
niemandem von diesem Gespräch erzählst.«
    Sie wirkte irritiert, aber dann nickte sie. »Klar helfe ich. Und ich
behalt es für mich.«
    Gemeinsam gingen sie in die Küche. Hambrock fragte sich, wie in Gottes
Namen es Ingeborg gelungen war, Kaffee zu kochen, doch da sah er schon die
feuerroten Haare von Bertolt Lütke-Brüning. Er stand in der Küche, unterm Arm
eine große Thermoskanne.
    »Wir machen mit dem Gaskocher seit Stunden Wasser heiß«, sagte er
freudestrahlend. »Vater hat mich mit Thermoskannen losgeschickt, damit ich in
der Nachbarschaft herumlaufe und frage, wer heißes Wasser gebrauchen kann.«
    Ingeborg drückte den Jungbauern und gab ihm einen Kuss auf die
Wange. »Ist das nicht wunderbar? Wenn wir schon frieren müssen, können wir uns
jetzt wenigstens einen Kaffee machen!«
    Sie lief zum Küchenschrank und holte Kaffeepulver. Bertolt sah
verlegen zu Boden, damit er Hambrock nicht ins Gesicht blicken musste. Der ließ
ihn jedoch nicht aus den Augen.
    »Ja«, sagte Hambrock nachdenklich. »Das ist wirklich großartig.«
    Eine knappe

Weitere Kostenlose Bücher