Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schneetreiben

Schneetreiben

Titel: Schneetreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
Vom Netzwerk:
ist, stecken
Sie fest.«
    »Genauso ist es«, sagte er. »Wie ich sehe, funktionieren die
Informationswege auf dem Land noch.«
    Sie zog das Kopftuch herunter und rückte die langen schwarzen Haare
zurecht. Augenblicklich wirkte sie zehn Jahre jünger. Was so ein bisschen Stoff
bewirken kann, dachte Hambrock.
    »Wenn Sie mich fragen, ist es gut, dass Sie hier sind«, sagte sie.
»Schließlich stromert Martin irgendwo herum, und da fühlen sich alle besser,
wenn Polizei in der Nähe ist.«
    »Bestimmt haben Sie auch gehört, dass ich meine Wartezeit damit
verkürze, ein paar Befragungen durchzuführen.«
    »Natürlich«, sagte sie lachend, ging zur Haustür und schloss auf.
»Kommen Sie doch herein. Es ist im Haus zwar nicht viel wärmer als draußen,
aber wir haben einen Campingkocher, damit kann ich Ihnen einen Kaffee machen.«
    Sie streifte ihre Gummistiefel ab und stieg in die Pantoffeln, die
auf der Schwelle standen. Es war stockfinster im Haus. Eine Taschenlampe stand
neben der Tür bereit, sie knipste sie an.
    »Wir haben elektrische Rollläden«, erklärte sie. »Seit dem
Stromausfall können wir sie nicht mehr hochziehen. Da sitzen wir auch tagsüber
im Dunkeln.«
    Sie führte ihn in die Bauernhausküche, wo sie zwei Petroleumlampen
entzündete. Warmes Licht erhellte den großen Raum. Hambrock ließ seinen Blick
über die weitläufigen Arbeitsflächen und den langen hölzernen Esstisch
schweifen, an dem ohne Weiteres ein Dutzend Personen Platz gefunden hätte.
    Vor seinen Augen tauchte ein Bild aus seiner Kindheit auf. Als
früher alljährlich eine Sau geschlachtet wurde, standen seine Mutter und zwei
Tanten den ganzen Tag in der Küche und verwursteten die Fleischberge. Dabei
herrschte immer eine ausgelassene Stimmung, und eine Flasche Korn auf der
Anrichte sorgte dafür, dass es auch dabei blieb. Hambrock und seine Schwester
mussten dann die Blutwurst rühren, eine Tätigkeit, bei der ihm heute übel
würde, doch als Kind hatte er es genossen, zwischen den derben Frauen zu stehen
und mithelfen zu dürfen. Die Küche seiner Mutter hatte vor der Renovierung ganz
ähnlich ausgesehen wie diese hier.
    »Mein Mann ist noch im Stall«, sagte Frau Ortmann, während sie einen
Topf mit Wasser auf den Gaskocher stellte. »Sicher wollen Sie auch mit ihm
sprechen. Wenn Sie möchten, kann ich ihn dazuholen.«
    Hambrock setzte sich auf die Bank.
    »Eigentlich möchte ich mit Ihrem Sohn sprechen. Mit Christoph.«
    Sie sah überrascht auf. »Weshalb Christoph? Er kennt Martin Probst
doch kaum. Wissen Sie, er war in der Schule zwei Jahrgänge über Martin. Sie
kennen das ja: Mit den Jüngeren möchte man nichts zu tun haben, nur die älteren
Schüler sind cool.«
    »Es sind eher allgemeine Routinefragen. Schließlich war Christoph in
der Tatnacht auf der Party bei Burtrup. Wir müssen mit allen reden, die dort
waren.«
    »Ach so, das ist natürlich richtig.« Sie wurde nachdenklich. »Es ist
wirklich eine furchtbare Geschichte. Da feiern alle gemeinsam und haben Spaß,
und direkt hinter dem Haus wird eine von ihnen brutal ermordet. Einfach
schrecklich.«
    »Frau Ortmann, wissen Sie, ob Ihr Sohn Freunde in Münster hat?«
    Sie sah irritiert auf. »Ja, ich glaube schon. Er hat einen
Bekannten, mit dem er sich ab und zu trifft, wenn er in der Stadt ist. Ist das
wichtig?«
    »Das gehört auch zu den Routinefragen. Wissen Sie, wie dieser
Bekannte heißt?«
    »Nein. Tut mir leid.«
    Er wünschte, er hätte ihr ein Fahndungsfoto von Tilmann zeigen
können.
    »Könnten Sie diesen Freund beschreiben?«
    Sie hob unsicher die Schultern. »Ich habe ihn nur ein einziges Mal
gesehen. Er sieht recht gut aus. Hat etwas Südländisches an sich. Dunkle Haare,
schöne Augen und feine, geschwungene Augenbrauen.«
    »Wie groß ist er etwa?«
    »Na, so um die einsachtzig. Aber wieso …?«
    »Heißt dieser Freund vielleicht Tilmann Feth?«, fragte Hambrock.
»Versuchen Sie sich zu erinnern.«
    Über ihnen knallte lautstark eine Tür. Dann polterte jemand die
Treppe herunter.
    »Das wird Christoph sein«, sagte sie. »Der wird Ihnen das am besten
selbst beantworten können.«
    Die Küchentür öffnete sich, und ein schlaksiger, hochgewachsener
Mann steckte den Kopf durch den Spalt.
    »Ich fahre jetzt los«, sagte er zu seiner Mutter. »Kann ich dich und
Papa alleine lassen mit den Schweinen?«
    In diesem Moment entdeckte er den fremden Mann am Küchentisch.
    »Das ist Hauptkommissar Hambrock«, sagte Frau Ortmann. »Er befragt
hier alle zu der

Weitere Kostenlose Bücher