Schneetreiben
Nacht, in der Sandra ermordet worden ist.«
Ein Schatten fiel über sein Gesicht.
»Oh. Ach so.«
»Ich hatte gehofft, mit Ihnen reden zu können«, sagte Hambrock.
»Aber wie ich sehe, wollen Sie gerade aufbrechen?«
»Ja. Wir veranstalten heute eine Schneeparty bei Bertolt
Lütke-Brüning. Ich habe versprochen, dass ich ihm bei den Vorbereitungen
helfe.«
»Mich würde nur interessieren, ob Sie in der Tatnacht die Party bei
Burtrup verlassen haben.«
»Nein, natürlich nicht. Wo hätte ich auch hingehen sollen?«
Hambrock hob gleichmütig die Schultern.
»Na ja, Sie hätten zum Beispiel zur Bushaltestelle gehen können.
Vielleicht haben Sie sich vorher in Burtrups Tenne Gummistiefel übergezogen.«
»Was soll das?«, fragte er gereizt. »Sandra und ich haben alles
hinter uns gelassen. Wir haben uns ausgesprochen. Weshalb sollte ich ihr etwas
antun?«
»Kennen Sie Tilmann Feth?«
Stille. Christoph Ortmann starrte ihn an.
»Flüchtig. Tilmann war Sandras aktueller Freund.«
»Aktuell? Wieso sagen Sie das? Denken Sie, dass die Beziehung nicht
lange gehalten hätte?«
»Nein, gar nicht. Das war nur so ein Spruch.«
»Wie gut kennen Sie Tilmann Feth?«
»Eigentlich gar nicht. Ich weiß nur, dass er Sandras Freund war. Ich
hab ihn mal auf einer Party gesehen, doch ich hatte keine Lust, mit ihm zu
reden.«
»Wenn Sie sich kaum kennen, weshalb ist er dann gestern Nachmittag
während des Schneesturms hier aufgetaucht?«
Ein leiser Knall ertönte. Die Packung mit den Filtertüten war auf
die Anrichte gefallen. Frau Ortmann sah ihren Sohn erschrocken an.
»Wie bitte? Stimmt das?«
»Unsinn! Wer behauptet das denn? Ich weiß nichts davon. Weshalb
sollte Tilmann hier auftauchen?«
»Ich hatte gehofft, dass Sie mir das erklären können«, sagte Hambrock.
»Er wurde von einem Zeugen gesehen.«
»Das muss ein Irrtum sein!« Christoph wurde nervös. »Er war doch im
Vereinshaus«, sagte er hitzig. »Sie haben ihn gestern Nacht dort festgenommen,
das hat sich längst rumgesprochen. Vielleicht ist er von Ihrem Zeugen auf dem
Weg dorthin gesehen worden. Das Vereinsheim liegt nämlich gleich hinter der
nächsten Kurve.« Sein Auftreten gewann an Sicherheit. »Falls ihn überhaupt
jemand gesehen hat und Sie nicht bluffen. Ich weiß jedenfalls von nichts.«
Hambrock quittierte die Bemerkung mit einem freundlichen Lächeln.
»Wieso sollte Sandras derzeitiger Freund im Schneesturm auch bei
ihrem Verflossenen aufschlagen?«, hakte Christoph nach.
»Tilmann Feth war auf der Flucht vor der Polizei«, sagte Hambrock.
»Vielleicht wollte er ja bei Ihnen untertauchen. Vielleicht erhoffte er sich
Ihre Hilfe, weil Sie Sandra Hahnenkamp gemeinschaftlich ermordet haben.«
Frau Ortmann stieß einen leisen Schrei aus. Sie blickte Hambrock an,
als habe der sich plötzlich in den Leibhaftigen verwandelt.
»Ich hör mir diesen Quatsch nicht länger an«, sagte Christoph
Ortmann. »Wenn Sie mir Fragen stellen wollen, rufen Sie vorher an, dann können
wir einen Termin vereinbaren. Jetzt habe ich keine Zeit mehr. Oder wollen Sie
mich etwa festnehmen?«
»Nein, das will ich nicht. Trotzdem hätte ich noch eine letzte
Frage. Ihre Mutter erzählte mir, dass Sie einen Freund in Münster haben.«
Christoph warf ihr einen Blick zu. In dem Gesicht seiner Mutter
spiegelten sich Sorge, Erschrecken und Schuldbewusstsein.
»Das ist ein Bekannter, den ich in meinem Job kennengelernt habe«,
sagte er an Hambrock gewandt. »Bei einer Fortbildung in Münster.«
»Wie heißt denn dieser Bekannte?«
Er geriet aus dem Konzept. Er wusste ganz offensichtlich nicht, was
er sagen sollte.
»Hören Sie, ich habe keine Zeit. Ich muss jetzt wirklich gehen.«
»Nennen Sie einfach den Namen Ihres Freundes, dann können Sie
verschwinden.«
Er zögerte den Bruchteil einer Sekunde. »Michael.«
»Und weiter?«
»Weiß ich nicht. Ich kenn nur seinen Vornamen.«
»Sicher haben Sie eine Telefonnummer von ihm.«
»Eh … nein, nicht mehr. Wir treffen uns schon lange nicht mehr, ich
habe sie aus meinem Handy gelöscht. Kann ich jetzt endlich gehen? Tut mir leid,
aber Sie hätten sich anmelden müssen.«
Hambrock nickte. Er hatte genug gehört.
»Wir werden diese Unterhaltung später fortführen.«
Christoph wandte sich ab. Ohne ein weiteres Wort verließ er das Haus
und schlug die Tür hinter sich zu.
Frau Ortmann blieb bewegungslos an der Anrichte stehen. Das Wasser
im Topf begann zu kochen, doch Hambrock hatte nicht das Gefühl, dass das
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