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Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)

Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)

Titel: Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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und wandte den Blick ab.
    »Haben Sie nicht erwähnt, dass die Organisation so strukturiert war, dass nur ein Oberer einen Mordbefehl geben konnte?«, schaltete sich Verhoeven ein, der seine Kaffeetasse umklammert hielt, als ob ihm kalt sei.
    Winnie nickte. »Das ist zumindest der Kenntnisstand, den Alexander Brieden hatte.«
    »Und die Männer, die Frau Zieser überfallen haben, waren demnach nur …«
    »… Handlanger«, ergänzte Winnie. »Bezahlte Schergen.«
    »Dem Vernehmen nach hat die Pique Dame ihre Drecksarbeit immer von solchen Leuten erledigen lassen«, sagte Bredeney.
    »Riskant«, knurrte Hinnrichs, der allseits bekannt dafür war, dass er es hasste, irgendetwas zu delegieren. Böse Zungen behaupteten, dass er sogar seine Briefmarken höchstpersönlich anleckte, weil er seiner Sekretärin diese schwierige Aufgabe nicht zutraute.
    »Nicht riskanter, als mit einem Verbrechen in Verbindung gebracht zu werden«, widersprach Bredeney. »Immerhin hatten sie alle verdammt hohe Positionen inne. Und jeder beobachtete jeden.«
    Du konntest nicht mal aufs Klo gehen, ohne dass mindestens drei Leute ’n Auge drauf hatten, was du da wie lange machst,
ergänzte Winnie in Gedanken, was ihr Kollege bereits bei einer früheren Gelegenheit geäußert hatte.
    »Was ist mit dem zweiten Mann, der damals mit in Ziesers Haus war?«, riss Verhoevens Stimme sie aus ihren Gedanken. »Haben Sie da irgendeinen Hinweis von Ihrer Zeugin bekommen können?«
    Von Ihrer Zeugin …
    Winnie kniff die Augen zusammen. Fühlte ihr Vorgesetzter sich etwa ausgeschlossen? Laut sagte sie: »Frau Zieser denkt, dass er ein ganzes Stück jünger war als Papen. Und der war damals Ende vierzig.«
    Verhoeven schien sich zu fragen, womit sie Dorothea Ziesers Erinnerung auf die Sprünge geholfen haben mochte. Instinktiv blickte Winnie zu Werneuchen hinüber. Doch der brütete über seinen Aufzeichnungen.
    »Kommen wir lieber mal zu den Männern von heute Abend«, sagte Hinnrichs, der von den ollen Kamellen, wie Lübke es ausdrücken würde, offenbar die Nase voll hatte. »Wie sieht’s mit denen aus?«
    »Schwierig«, antwortete Winnie. »Ich habe nur einen von ihnen gesehen. Und das für einen ganz kurzen Moment. Aber ich habe gleich einen Termin bei einem Kollegen von der visuellen Fahndungshilfe.« Sie sah auf die Uhr. »Schau’n wir mal, ob wir trotzdem irgendwas Brauchbares basteln können.«
    Verhoeven stellte seine Tasse zur Seite. »Glauben Sie, dass es dieselben Männer waren, die Frau Brilon in Tannengrund gesehen haben will?«
    »Möglich.«
    »Vielleicht ist das ihr Liquidierungskommando«, schlug Bredeney vor.
    Hinnrichs verdrehte die Augen. »Oh bitte!«
    »Und das Auto?«, fragte Werneuchen.
    »Lübke und seine Leute sind dran«, erklärte Hinnrichs. »Dank Frau Hellers Beherztheit haben wir Glassplitter von der Heckscheibe. Und mit den sichergestellten Projektilen auch einen Hinweis auf ihre Waffen.«
    »Außerdem haben wir eine leere Spritze«, ergänzte Winnie.
    »Ja«, sagte Hinnrichs mit einem Lächeln, das vor Sarkasmus nur so triefte. »Ist es nicht ein Traum?«

Fünf

August 1953
    Oh mein Gott! Hilfe! Luft!
    BITTE !
    Die Worte verlassen ihre Lippen und kollern als stummer Strudel von Wasserbläschen der fernen Oberfläche entgegen. Es müssen Hunderte sein. Schön wie Perlen. Aber eine so wirkungslos wie die andere. Sie hört das Rauschen ihres eigenen Blutes, das gegen ihr Trommelfell drängt, während ihre Gedanken wild durcheinanderspringen.
    Das kann er nicht tun. Niemand tut so etwas. Nicht ohne Grund.
    Und welchen Grund sollte er haben?
    Was hat sie ihm getan?
    Sie kennen einander doch kaum. Haben vor heute Nachmittag kaum je auch nur fünf Sekunden Zeit miteinander verbracht.
    Ihre Arme rudern. Ziellos. Verloren. Wasser hat keine Balken. Keinen Halt. Aber … nein, halt! So stimmt das nicht! Dieses Wasser hier hat vielleicht keine Balken. Aber es hat Grenzen. Wenn es ihr gelänge, den Rand zu erreichen …
    Sie weiß doch, wie man schwimmt. Theoretisch weiß das jeder. Und sie hat oft zugesehen, früher, am Wochenende, wenn die Jungs aus der Nachbarschaft sich mit lautem Gebrüll in den kleinen Weiher hinter der Mühle gestürzt haben. Moosgrünes Gefunkel, tief genug, um einen Sprung aus den umstehenden Bäumen riskieren zu können. Sie muss nur ruhig bleiben. Sich zusammenreißen. Wenn man will, schafft man alles. Das heißt, fast alles. Den Krieg überleben. Das Arbeitslager. Die Zeit danach. Was ist schon ein Becken

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