Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
als nur einer, das glaube mir. Unter anderem dein Ziehvater Karl.«
Gott, dachte Winnie, was für ein brillanter Schachzug!
Sie schielte zu ihrem Vorgesetzten, doch der nahm die unbequeme Anspielung erstaunlich gelassen.
»Leider kann ich ihn nicht mehr danach fragen«, sagte er.
»Ja, leider.« Trotz Verhoevens Beherrschung schien Papen hochzufrieden. »Aber das hat natürlich alles Kreise gezogen damals.«
»Sicher.«
Er hob die Schultern. »Tut mir leid, dass ich dir nicht mehr sagen kann.«
»Tja«, entgegnete Verhoeven, »nicht zu ändern.«
Die Sache, über die wir hier reden, liegt fast zwanzig Jahre zurück, resümierte Winnie, aber Papen fragt nicht ein einziges Mal, warum wir uns dafür interessieren.
»Kann ich sonst noch irgendwas für euch tun?«, erkundigte er sich stattdessen in aufgeräumtem Ton.
Verhoeven gab die Frage stumm an seine Kollegin weiter.
Winnie schüttelte den Kopf.
»Nein, vielen Dank. Das war schon alles.«
»Jetzt habt ihr gar nicht von Elsas Stollen gekostet«, rief Papen ihnen nach, als sie bereits wieder am Auto waren.
»Wir kommen wieder«, rief Verhoeven zurück, und selbst Winnie fand, dass es wie eine Drohung klang.
2
»Haben wir eine Chance, an Papens Telefondaten zu kommen?«, fragte sie, als sie wieder im Präsidium waren.
Werneuchen verzog das Gesicht. »Du meinst offiziell?«
»Wer sagt was von offiziell?«, gab sie zurück.
»Nicht von hier aus.«
»Was heißt das?«
Werneuchen machte eine lange Pause. Dann sagte er: »Ich weiß da vielleicht jemanden, der über das nötige Know-how verfügt. Aber wenn das auffliegt, sind wir dran, das ist dir klar, oder?«
Sie nickte nur. Hatte sie überhaupt ein Recht, so was von ihm zu verlangen?
»Falls nötig, nehme ich das auf meine Kappe«, erbot sich Verhoeven völlig überraschend.
Winnie sah, wie Werneuchens Kinnlade herunterklappte. Risikobereitschaft war offenbar das Letzte, was er von Verhoeven erwartet hatte.
»Dir ist klar, dass die Informationen, die wir auf diesem Wege bekommen, vor Gericht nicht zugelassen werden«, gab er zu bedenken.
»Ja«, entgegnete Verhoeven ruhig. »Ich weiß.«
»Vielleicht machen wir damit alles noch schlimmer.«
»Trotzdem.«
»Na schön, aber … was versprichst du dir davon?«, wandte sich Werneuchen wieder an Winnie. Vielleicht, weil er hoffte, dass wenigstens einer von beiden Vernunft annehmen würde.
»Dorothea Zieser sollte gestern Abend sterben«, erklärte Winnie. »Und das bedeutet, dass jemand den Befehl dazu gegeben hat.«
»Und du denkst, das war Papen?«
»Er oder jemand, mit dem er in Verbindung steht.«
»Wir brauchen irgendwas, wo wir ansetzen können«, stimmte Verhoeven ihr zu. »Einen Namen, eine Nummer, irgendwas …«
Winnie runzelte die Stirn. Irgendwie hatte sie das Gefühl, im falschen Film zu sein. Natürlich zogen Verhoeven und sie durchaus auch mal an einem Strang. Aber dass sie in einer derart heiklen Frage so uneingeschränkt auf seine Unterstützung bauen konnte, war neu. Und sie überlegte automatisch, ob es überhaupt mit ihrer Idee als solcher zusammenhing. Oder ob es ihm um etwas ganz anderes ging. Darum, Papen einen Strick zu drehen, zum Beispiel. Weil er es gewagt hatte, Karl Grovius anzugreifen. Zumindest, indem er einen Keim des Zweifels gesät hatte …
Sie schaute sich nach Werneuchen um, doch der telefonierte bereits. »Es kann ein bisschen dauern«, verkündete er, nachdem er das Gespräch beendet hatte. »Er hat gesagt, er ruft mich an.«
»Okay«, nickte Winnie. »Was habt ihr inzwischen zu Belting?«
»Ich bin dran, aber die Sache gestaltet sich schwierig«, stöhnte Werneuchen.
»Was ist schwierig?«, fragte Hinnrichs, der in diesem Augenblick mit gezücktem iPad hereingestürmt kam.
»Etwas über Mario Belting herauszufinden«, antwortete Werneuchen. »Der Mann ist erst zwei Jahre tot, aber er scheint bereits zu Lebzeiten praktisch kein Umfeld gehabt zu haben.«
Winnie rief sich das Foto von Belting ins Gedächtnis, das der junge Kollege ihr am Vortag gegeben hatte und das einen außergewöhnlich attraktiven Mann mit charismatischen Zügen und edlem, südländischem Charme zeigte. »Der Typ war nicht verheiratet, verpartnert oder wenigstens geschieden?«, fragte sie ungläubig.
»Nein.«
»Sonst wie liiert?«
Werneuchen schüttelte abermals den Kopf. »Nach allem, was ich bislang herausbekommen habe, scheint er in alle Richtungen ein äußerst diskreter Mann gewesen zu sein. Falls er Beziehungen hatte,
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