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Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)

Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)

Titel: Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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alles andere als erfreut war, sie zu sehen.
    »Doch. Ich hatte Frühschicht.«
    Winnie betrachtete das Gebinde aus Tannengrün, Rosen und Christsternen, das die Nonne in einer Nische neben dem Tabernakel platziert hatte. Hier in der Kapelle war es unangenehm kühl, fast so kalt wie draußen, obwohl ein entferntes Summen verriet, dass der Raum sehr wohl über eine Heizung verfügte. In zwei weiteren Nischen brannten oberarmdicke Opferlichter, doch auch von ihnen schien keine Wärme auszugehen. Wie kann man es an einem solchen Ort aushalten?, überlegte Winnie. Laut sagte sie:
    »Tut mir leid, dass ich Sie noch mal behelligen muss, aber ich habe noch ein paar kurze Fragen zu Boris Mang und Ihrem ehemaligen Kollegen.«
    Ines Heider trat einen Schritt zurück und zupfte ein paar Blüten zurecht. »Wenn ich helfen kann …«
    »Bestimmt«, entgegnete Winnie betont optimistisch. »Sie haben uns doch von den Männern erzählt, die Herrn Mang regelmäßig besuchten …«
    »Ja. Und?«
    »War da zufällig auch mal eine Frau dabei?«
    »Ein Frau?« Sie runzelte die Stirn, wodurch ein schmaler Streifen blonden Haares unter ihrem Schleier sichtbar wurde. »Nein.«
    »Bestimmt nicht?«
    »Außer seiner Ehefrau kamen nur Männer«, wiederholte Ines Heider, und sie klang sehr sicher.
    Winnie musterte das farblose Gesicht und dachte daran, dass einige von den männlichen Patienten Ines Heider vorgeworfen hatten, ihnen beim Waschen absichtlich die Genitalien verletzt zu haben. »Boris Mangs Witwe hat uns erzählt, dass sich Ihr Kollege, Joachim Ackermann, in dieser Zeit auffallend rührend um ihren Mann bemühte. Können Sie das bestätigen?«
    Ines Heider überlegte. »Ja«, sagte sie dann. »Mang interessierte ihn zumindest mehr als die anderen.«
    »Was, glauben Sie, war der Grund dafür?«
    Man sah ihr deutlich an, dass sie sich keinen Grund vorstellen konnte. Zumindest nicht auf Anhieb. Doch dann umwölkte sich ihre Miene plötzlich. »Moment«, murmelte sie. »Da fällt mir was ein.«
    »Was?«, fragte Winnie gespannt.
    »An einem Nachmittag, als wir zusammen Dienst hatten, war er mal wieder wie vom Erdboden verschwunden.« Sie zuckte die Achseln. »Er hatte das Arbeiten nicht gerade erfunden, wenn Sie verstehen, was ich meine. Und in unseren Schichten musste ich andauernd hinter ihm her sein, damit nicht alles an mir allein hängenblieb.« Das Licht der Kerzen zauberte ein bewegtes Schattenmuster auf ihre durchscheinenden Züge. »Jedenfalls erwischte ich ihn an dem bewussten Tag in Herrn Mangs Zimmer, wo sie am Tisch saßen und irgendein Kartenspiel spielten.«
    Unwillkürlich musste Winnie wieder an Papens Schachbrett denken. »Und Sie sind ganz sicher, dass die beiden Karten spielten?«, hakte sie vorsichtshalber noch einmal nach. »Nicht etwa Schach oder ein anderes Brettspiel?«
    »Schach?« Ines Heider schüttelte stirnrunzelnd den Kopf. »Nein. Wie kommen Sie auf Schach?«
    »Vergessen Sie’s.« Winnie lächelte ihrer Zeugin ermutigend zu. »Erzählen Sie einfach weiter, okay?«
    »Da gibt’s nicht viel zu erzählen«, gab die Nonne zurück. »Ich stellte ihn zur Rede, was ihm einfällt, sich da so häuslich einzurichten, wo wir vor lauter Arbeit kaum wissen, wo uns der Kopf steht. Und dabei fiel mir zufällig ein Zettel auf, der neben seinem Kartenstapel lag.« Sie hielt inne und schlang die Arme um ihren auffallend schlanken Körper. Vielleicht fror sie. Vielleicht ein instinktiver Versuch, sich zu schützen. »Ich dachte zuerst, er hätte sich irgendwelche Spielstände notiert. Aber als ich kurz draufsehen konnte, bemerkte ich, dass es Namen waren, die er da aufgeschrieben hatte.«
    Winnie trat einen Schritt näher an sie heran. »Was für Namen?«
    »Ach, keine Ahnung.« Ihre Augen irrten ziellos über den Altar. »Ich habe, wie gesagt, nur einen flüchtigen Blick auf diesen Zettel werfen können. Aber das, was da stand, sah eher … ich weiß nicht, fremdländisch aus.«
    »Sie meinen, so wie Latein oder Griechisch?«, wagte Winnie einen Schuss ins Blaue.
    Ines Heider blickte ziemlich verdattert drein und sagte: »Ja, genau. So was. Aber nicht nur. Wenn ich mich recht entsinne, waren auch ganz normale Namen dabei.«
    Normal heißt in diesem Fall wohl deutsch, schloss Winnie.
    Sie zögerte kurz, dann griff sie in ihre Handtasche und zog ihre Listen heraus. Die Namen von Mangs Besuchern. Die Rekonstruktion von Ackermanns Notizzettel. Und die Aufstellung der Pseudonyme, die sie sich in mühsamer Kleinarbeit aus

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