Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
drehen.« Und laut rufend fügte er hinzu: »Verdammt witzig, ihr Arschlöcher. Habt ihr eigentlich nichts Besseres zu tun, als uns durch die Gegend zu hetzen? Wie wär’s stattdessen mit Schlafen?«
Während er schimpfte, sah Winnie sich aufmerksam um. Die Teeküche hatte keine Fenster. Im kalten Licht der Neonröhren wirkte alles adrett und unauffällig. Einzig der Schwelbrand im Spülbecken passte nicht ins Bild.
In der Bibliothek muss irgendwer wohl ein Feuerzeug in die Nähe des Rauchmelders gehalten haben.
Winnies Augen hefteten sich an die rußverschmierte Emaille
. Sobald du sie aus den Augen lässt, machen sie nichts als Blödsinn …
Aber war die Sache tatsächlich so harmlos?
Wie viel Zufall vertrug eine Theorie?
Winnies Finger fuhren nachdenklich über den Rand einer chromblitzenden Arbeitsplatte.
»Und jetzt?«, fragte sie, als sie sah, dass Thalau sich wieder beruhigt hatte.
»Jetzt machen wir hier dicht und vermerken im Protokoll, dass sich einer von diesen alten Scherzkeksen vermutlich gerade wegbrüllt vor Lachen.«
14
»Was war da los bei Ihnen?«, fragte Verhoeven besorgt.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Winnie ehrlich. »In einer der Teeküchen hat anscheinend jemand mit Feuer gespielt.«
»Jemand?«
»Keine Ahnung. Ein Scherz vielleicht.«
»Hm.« Verhoeven war keineswegs zufrieden.
»Das würde zu den Fäkalien an den Wänden und den aufgeschlitzten Sesseln und dem ganzen anderen Mist passen«, knurrte Bredeney neben ihm.
»Was sagt er?«, fragte Winnie.
Verhoeven wiederholte Bredeneys Worte.
»Scheiße«, entfuhr es ihr. »Das hatte ich ganz vergessen.«
»Was?«
Winnie stöhnte. »Vergessen Sie’s. Im Moment weiß ich selbst nicht, in welche Richtung ich zuerst denken soll. Was macht unser Lockvogel?«
»Sitzt brav in seinem Käfig und sieht fern.«
»Gut. Sonst irgendwas Bemerkenswertes zu vermelden?«
»Nein, alles normal.«
»Hier auch«, sagte Winnie, obwohl sie keineswegs sicher war. Aber irgendwie konnte sie noch nicht wirklich artikulieren, was in ihr vorging. Dazu war alles noch zu unstrukturiert und vage.
»Dann warten wir also einfach weiter ab, ja?«, klang Verhoevens Stimme aus dem Knopf in ihrem Ohr.
»Ja«, sagte sie. »Warten wir.«
15
Winnie kehrte ins Schwesternzimmer zurück, doch obwohl dort alles ruhig schien, verstärkte sich ihre Nervosität mit jeder Minute, die verstrich.
Irgendetwas habe ich übersehen, dachte sie mit einem Gefühl banger Unruhe. Irgendetwas, das wichtig ist. Aber was? Was passt nicht ins Bild? Worin liegt die Dissonanz?
Sie schielte zu Nicole Freytag hinüber, die vor dem laufenden Fernseher hockte und pausenlos auf ihrem Handy herumtippte. Thalau hingegen hatte seine Medikamente verteilt und war jetzt irgendwo auf Station unterwegs.
Sie hatte den Imperator herausgefordert.
Die Frage war, ob er die Partie gegen sie überhaupt annehmen würde.
Falls nicht, hatten sie wenig in der Hand, das war ihr klar. Vielleicht würden sie Zlupay wegen des BMW drankriegen können. Oder aber eine Gegenüberstellung mit Dorothea Zieser belastete ihn dergestalt, dass sie ihn zumindest wegen des Überfalls drankriegen konnten. Aber wenn sie ehrlich war, glaubte sie nicht daran. Und selbst wenn: Einen Mordversuch zu beweisen, würde schwierig werden, wenn Zlupay sich auf den Standpunkt stellte, er habe Dorothea Zieser nur bedrohen wollen. Und bei Ackermanns Ermordung war er ganz offenbar noch vorsichtiger gewesen. So vorsichtig, dass Lübke und seine Leute nicht einen einzigen stichhaltigen Beweis gefunden hatten. Weder auf dem Friedhof noch in Ackermanns Apartment.
Ihr Blick blieb an einem karierten Notizzettel hängen, auf dem das Logo eines großen Pharmakonzerns prangte.
Eine Schachpartie,
hämmerte es hinter ihrer Stirn, während die Karos vor ihren Augen verschwammen. Das Spiel der Könige. Darin liegt der Schlüssel. Zumindest lag er darin für Ackermann. Aber wieso? Welches Puzzleteilchen hatte der Altenpfleger erkannt, an dem sie selbst offenbar konsequent vorbeitappte?
Dieser Typ wollte gleich am ersten Tag wissen, was ’ne verdammte Rochade ist,
echauffierte sich Jeremy Carson in ihrem Kopf.
Woher wusste Ackermann, an wen er sich wenden muss, als er aus dem Knast kam?,
fragte Verhoeven.
Richtig!, dachte Winnie. Belting war zu diesem Zeitpunkt längst tot, also muss Ackermann darüber informiert gewesen sein, wer sein Nachfolger innerhalb der Pique Dame ist … Oder?!
Die weitaus interessantere Frage ist, ob es da
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