Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
»Mein Gott, das alles ist doch nun schon so lange her, und diese ganze Zeit damals war so … irreal, verstehen Sie?«
»Bitte«, insistierte Verhoeven, der aus irgendeinem Grund beschlossen hatte, dass dieser Punkt wichtig war. »Versuchen Sie’s!«
Felicia Ott überlegte. »Ich erinnere mich nur an einen Namen«, sagte sie. »Und das auch nur deshalb, weil ich ihn so scheußlich fand und dachte, was für eine arme Frau, die wirklich so heißt.« Sie registrierte die Ungeduld der beiden Kommissare und setzte eilig hinzu: »Der Name war Cordula.«
»Cordula?« Verhoeven runzelte die Stirn. »Und ich gehe recht in der Annahme, dass Sie keine Cordula kannten?«
Lachen. »Nein, bestimmt nicht.«
»Was ist mit Männernamen?«
»Da gab es auch ein paar, die ich nicht zuordnen konnte, aber die meisten kamen mir irgendwie bekannt vor.«
»Sind Sie dem späteren Mörder Ihres Mannes eigentlich irgendwann mal begegnet?«, fragte Winnie mit echtem Interesse.
»Ackermann?« Felicia Ott nickte. »Ja, sporadisch. Er war … Er schien nett zu sein.« Ihr Blick schweifte ab. »Manchmal, wenn er ein paar Minuten übrig hatte, hat er mit Boris Halma gespielt. Oder Mau-Mau. Und dabei war er immer überaus freundlich und geduldig. Das hat mich damals sehr beeindruckt.«
Oh, mich beeindruckt es auch, dachte Winnie, zumal Ackermann allenthalben dafür bekannt war, seine Patienten mit absoluter Gleichgültigkeit zu behandeln.
»Hat Ackermann irgendwann in den letzten Jahren mal versucht, Kontakt zu Ihnen aufzunehmen?«, wollte Verhoeven unterdessen wissen.
»Nein, wieso sollte er?«
Verhoeven ging nicht auf ihre Frage ein. Stattdessen insistierte er: »Auch nicht in den Tagen vor seinem Tod?«
Das Geräusch des Brieföffners, der auf dem penibel gepflegten Parkett aufschlug, ließ Winnie erschrocken zusammenfahren.
»Ackermann ist tot?«
Verhoeven tauschte einen Blick mit seiner Partnerin. Sie waren beide wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass die Witwe informiert war. Doch Felicia Otts Erstaunen war echt. Daran hegte Winnie Heller nicht den geringsten Zweifel.
Wir lesen hier keine Zeitung …
»Aber wie …?«
»Er wurde ermordet.«
Aus Felicia Otts Puppengesicht war sämtliche Farbe gewichen. »Wie kann denn so etwas passieren?«, wiederholte sie tonlos, und Winnie begann sich zu fragen, was an Ackermanns Tod Boris Mangs Witwe derart mitnahm. »Ich meine, ein Gefängnis ist doch nicht …«
»Ackermann war nicht mehr in Haft«, unterbrach Verhoeven sie. »Er war seit knapp einer Woche draußen.«
Boris Mangs Witwe schien diese letzte Information allerdings gar nicht mehr aufnehmen zu können. Sie starrte wie gelähmt auf den Parkettboden zu ihren Füßen. Und obwohl sie sich alle Mühe gab, sich ihre Emotionen nicht anmerken zu lassen, gelang es ihr nicht, ihre Erschütterung über Joachim Ackermanns Tod zu verbergen.
»Der Mörder Ihres Mannes starb, indem man ihm gewaltsam große Mengen von Eiswasser einflößte«, erklärte Winnie, weil sie sehen wollte, wie Boris Mangs Witwe darauf reagieren würde.
Doch Felicia Ott hatte sich inzwischen wieder gefangen. »Wirklich?«, fragte sie mit erstaunlich fester Stimme, die allenfalls eine Nuance heller klang als sonst.
»Ja.« Winnie nickte. »Dieser sogenannte Schwedentrunk war früher eine beliebte Foltermethode.«
Der Blick der Witwe traf ihr Gesicht. Doch der Ausdruck darin war weder erschrocken noch betroffen. »Ich wusste nicht, dass er tot ist«, sagte sie.
»Aber jetzt, da Sie es wissen …« Verhoeven richtete sich auf. »Haben Sie so etwas wie eine Erklärung dafür?«
Felicia Ott bückte sich und hob den Brieföffner auf, der ihr aus der Hand gefallen war. Sie betrachtete ihn eine Weile nachdenklich und legte ihn dann ruhig und bedachtsam an seinen Platz zurück. Dann sah sie Verhoeven an. »Ich würde es wohl am ehesten als ausgleichende Gerechtigkeit bezeichnen.«
8
»Es hat einen Unfall gegeben …«
Winnie knallte die Fast-Food-Tüte mit ihrem Abendessen auf ihren Schreibtisch und sah Bredeney an, der grinsend in der Tür lehnte. »Was für einen Unfall?«
Anstelle einer Antwort zeigte er auf die Tüte vor ihr. »Scheiße, wenn Lübke das sieht, rastet er aus.«
Ihr war nicht nach Scherzen. Trotzdem spielte sie mit. »Wieso sollte er?«
»Jetzt sag nur, du findest es fair, dass du ihn zu Low Fat nötigst, während du dich hinter seinem Rücken mit Junk Food vollstopfst?«
»Erstens nötige ich niemanden zu irgendetwas«, gab Winnie
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