Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
ehrlich erarbeitet,
betonte eine imaginäre Felicia Ott.
Bredeney trat nervös von einem Fuß auf den anderen. »Boris hatte eine hohe Lebensversicherung«, bemerkte er in einem Ton, der nicht verriet, wohin seine Gedanken wirklich gingen.
»Wie hoch?«
»Gut eine halbe Million Euro.« Er sah ihr kurz in die Augen. »Davon musste sie natürlich noch die Töchter auszahlen, aber da Mang sie testamentarisch zur Alleinerbin erklärt hatte, dürfte trotzdem noch ein ganz hübsches Sümmchen übrig geblieben sein. Zumal auf dem Haus zum Zeitpunkt seines Todes noch jede Menge Schulden lagen, sodass der Pflichtteil für die Töchter nicht besonders hoch ausfiel.«
»Und heute?«
Bredeney stieß ein freudloses Lachen aus. »Wenn du mir eine richterliche Verfügung bringst, sehe ich gerne nach, wie es um die Finanzen der Witwe Mang bestellt ist. Aber solange du keinen konkreten Grund vorweisen kannst, weshalb wir uns dafür interessieren sollten …« Er ließ den Satz offen und hob die knochigen Schultern.
Winnie Heller blickte an ihm vorbei aus dem Fenster, an dem die abendliche Dunkelheit klebte wie ein Stück nasse Pappe. »Aber das Haus – ob belastet oder nicht – hatten die Mangs doch schon vor seinem Tod«, resümierte sie. »Und das, obwohl er bereits zweimal geschieden war.«
»Vielleicht hatte er kluge Eheverträge. Vielleicht waren seine Exfrauen so sauer, dass sie sein Geld nicht haben wollten.« Er funkelte sie an. »Was weiß denn ich?«
Er hat eine Heidenangst, dachte Winnie. Aber wovor? Oskar Bredeney war in der gesamten Abteilung dafür bekannt, dass er Schwierigkeiten gern aus dem Weg ging. Nicht, weil er ein schlechter Polizist war. Er war nur nach über dreißig Jahren im Dienst ganz einfach der Meinung, dass er genug Ärger gehabt hatte. Dass einfach mal andere an der Reihe waren. Jüngere. Frischere. Winnie betrachtete sein von tiefen Narben durchzogenes Gesicht. Aber was konnte ihm schon groß passieren, nach all diesen Jahren? Oder saß die Angst, als Nestbeschmutzer gebrandmarkt zu sein, tatsächlich so tief?
»Was ist mit Gerede?«
Sein Gesicht wurde noch eine Spur verschlossener. »Ich hab doch schon gesagt, ich werfe nicht mit Dreck. Schon gar nicht nach einem Toten.«
»Sollst du doch auch gar nicht.« Sie strahlte ihn an. »Ich möchte nur wissen, welchen Ruf Mang unter den Kollegen hatte …«
Bredeney zögerte. Dann trat er einen Schritt näher an ihren Schreibtisch heran. »Hast du je von einer Organisation namens OPID gehört?«
Winnie verneinte. »Was ist das?«
»Je nachdem, wen du fragst, ein Mythos oder eine ernst zu nehmende Gefahr.« Er sah ihr fragendes Gesicht und seufzte. »Pass auf, Mädchen, von mir hast du das nicht, aber Ende der Achtziger ging hier mal das Gespenst eines verschwörerisch angehauchten Geheimbundes um, der neben allerlei anderen unartigen Dingen auch Geldwäsche in großem Stil betrieben haben soll. Die Brüder nannten sich OPID , die Abkürzung für Organisation Pique Dame, weil das Ganze ursprünglich mal aus einer Runde von Kartenspielern hervorgegangen sein soll.«
Winnie zog überrascht die Brauen hoch. Sie selbst spielte regelmäßig Poker im Kollegenkreis. Doch von einer Organisation dieses Namens hatte sie noch nie gehört.
»Soll so ’ne Art Eliteklub gewesen sein«, fuhr Bredeney in diesem Augenblick fort, als habe er ihre Gedanken erraten. »Alles durch die Bank hohe Tiere. Politiker, Richter, Staatsanwälte. Und weil es trotz intensivster Ermittlungen nie zu irgendwelchen Festnahmen kam, waren gewisse Leute damals der Meinung, dass auch der eine oder andere aus den eigenen Reihen an der Sache beteiligt sein müsse.«
Winnie riss die Augen auf. »Ach du Scheiße!«
»Das kannst du laut sagen«, stöhnte Bredeney. »War ’ne verdammt unbequeme Zeit damals. Alles war in Aufruhr, jeder verdächtigte jeden.« Er schüttelte den Kopf. »Du konntest nicht mal aufs Klo gehen, ohne dass mindestens drei Leute ein Auge drauf hatten, was du da wie lange machst.«
Winnie blickte auf das staubige Linoleum hinunter, während sich in ihrem Kopf die Stimmen von Felicia Ott und Ines Heider mischten.
Wann immer ich bei ihm war, redete er über irgendwelche Schachpartien oder Poker oder so was in der Richtung,
erklärte Boris Mangs Witwe.
Er war ein absolut begeisterter Spieler,
stimmte eine imaginäre Ines Heider ihr zu.
Karten, Schach, Backgammon, was Sie wollen …
Sie sah hoch. »Und Boris Mang wurde mit dieser Pique-Dame-Organisation in
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