Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
würdevoll zurück, »und zweitens ist auch ein Apfel in dieser Tüte, stell dir vor.«
»Ein Apfel in Form eines übersüßten Getränks, was?«
»Nein, ein Apfel in Form eines Apfels. Und jetzt erzähl mir von dem Unfall.«
Der Veteran des KK 11 seufzte. »In dieser Residenz, die eurem Tatort gegenüberliegt, ist heute Nacht eine alte Dame vier Stockwerke tief in den Tod gestürzt.«
Winnie Heller, die gerade ihren Hamburger Royal TS aus der Tüte nehmen wollte, hielt mitten in der Bewegung inne. »Das ist jetzt vielleicht ’ne blöde Frage«, sagte sie, »aber kommt so was öfter vor?«
Bredeney schüttelte den Kopf. »Ich weiß, was du meinst. Verwirrte alte Leute, die eigentlich rund um die Uhr Beaufsichtigung bräuchten und so weiter. Aber die Heimleiterin sagt, so was sei noch nie passiert.« Er grinste. »Im Gegenteil, sie war total entrüstet, wie ich überhaupt auf die Idee kommen könne, so was sei an der Tagesordnung.«
Winnie ließ die Schachtel mit dem Burger sinken. »Also ein Unglücksfall?«
»Na ja …«
»Was na ja?«
»Die Heimleitung geht natürlich davon aus, zumal die betreffende Patientin an Demenz litt«, erklärte Bredeney. »Aber unter den gegebenen Umständen und mit einem toten Altenpfleger nur ein paar hundert Meter weiter will Hinnrichs die Sache nicht so einfach auf sich beruhen lassen.«
»Und das heißt?«
»Lass dich überraschen. Er hat gesagt, ihr sollt in sein Büro kommen, sobald ihr zurück seid.«
»Okay. Ich sage Verhoeven Bescheid, wenn er wieder da ist.«
»Wo steckt er denn?«
Winnie zuckte die Achseln. »Er wollte noch kurz beim Kinderarzt vorbei, irgendein Rezept abholen. Und ich hatte Hunger.«
»Und was sagt eure Nonne?«
Sie berichtete dem Kollegen in aller Kürze von den Gesprächen mit Ines Heider und Felicia Ott.
»Felicia, die Schöne!«, rief Bredeney, als sie zu Ende war. »Himmelsakra, war diese Frau mir unsympathisch!«
»Du kennst sie?«, fragte Winnie, doch im selben Moment fiel ihr bereits selbst die passende Erklärung ein.
Und natürlich damals auf Karls Fünfzigstem …
»Ich bin ihr mal auf irgendeiner Feier begegnet«, antwortete Bredeney in diesem Augenblick folgerichtig. »Aber diese eine Gelegenheit hat mir schon gereicht.«
»Wieso?«
»Auf den ersten Blick wirkt sie wie ein verschüchtertes kleines Häschen«, entgegnete der Veteran des KK 11 mit angewiderter Miene, aber das konnte auch einfach nur bedeuten, dass Boris Mangs Witwe nicht sein Typ war. »Aber wehe, wenn sie mal nicht auf ihre Maske achtete.« Er schüttelte sich. »Ehrlich gesagt, ich würde ihr nicht von hier bis da trauen.« Seine Finger bemaßen eine sehr kleine Distanz.
Winnie dachte an den Schrecken, den die Nachricht von Ackermanns Tod Felicia Ott ganz offensichtlich bereitet hatte, und sie überlegte, ob der erfahrene Kollege sich vielleicht doch in ihr täuschte. Andererseits hatte Boris Mangs Witwe auch auf sie einen eher zwiespältigen Eindruck gemacht. Sie schloss die Augen und sah das kostbar möblierte Wohnzimmer vor sich. »Du, sag mal …«
»Ja?«
Sie holte tief Luft. »War Boris Mang bestechlich?«
Es war ein Schuss ins Blaue, aber er hatte getroffen. Sie sah es an seinem Gesicht. An der Verschlossenheit, die sich über die pockennarbigen Züge breitete, als habe irgendjemand einen imaginären Schalter umgelegt. »Scheiße, Heller«, blaffte er. »Was soll das?«
»Du weißt, was das soll. Also: War er’s?«
»Dazu sage ich nichts.«
»Jetzt komm mir bloß nicht mit irgendeinem abstrusen polizeilichen Ehrenkodex«, fuhr Winnie auf. »Es geht hier nämlich nicht um jemandes guten Ruf, sondern um ein mögliches Mordmotiv, okay?«
Bredeneys kantige Kiefer mahlten. »Ich konnte Boris Mang nicht ausstehen«, wiederholte er nach einer Weile, was er bereits in der Besprechung geäußert hatte. Es klang hilflos. »Und auch wenn das für einen Jungspund wie dich vielleicht schwer nachzuvollziehen ist – deshalb fällt es mir noch schwerer, schmutzige Wäsche zu waschen.«
Seine Ehrlichkeit weckte Winnies Mitleid. »Mang wurde ermordet, und seine Witwe sitzt in einem Haus, das von oben bis unten mit kostbaren Teppichen und Antiquitäten vollgestopft ist«, versuchte sie es mit nackter Sachlichkeit.
»Und wenn schon«, versetzte Bredeney. »Vielleicht kommt sie aus einer reichen Familie.«
»Kommt sie nicht.« Winnie ließ sich auf ihren Schreibtischstuhl fallen. »Sie besaß gerade mal dreitausend Mark, als sie geheiratet haben.«
Aber
Weitere Kostenlose Bücher