Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
Praktikantin, und soll Sie nach Ihren Wünschen für das Mittagessen fragen.«
Die humorvollen braunen Augen funkelten amüsiert. »Wildgulasch mit Preiselbeeren und hausgemachte Spätzle mit brauner Butter, dazu einen Feldsalat mit Croutons und Kräuter-Vinaigrette. Und als Nachtisch nehme ich Kaiserschmarrn mit heißen Kirschen und Vanilleeis. Die Suppe können Sie weglassen.«
Okay …
Winnie holte schicksalsergeben Luft. Man lernte ja immer wieder dazu!
»Ich fürchte, meine Auswahl beschränkt sich auf das kalorienbewusste Putengeschnetzelte Bombay mit Wildreis und gemischten Salaten oder alternativ Schweinemedaillons in Pfeffer-Rahm-Soße.«
»Schwein«, antwortete Elisabeth Fersten mit einem versöhnlichen Augenzwinkern. »Und Kartoffelpüree.«
»Passt«, sagte Winnie und machte ein zufriedenes Kreuz neben die von Herrn Söhnlein so grob verschmähte Pappe. »Und als Nachtisch?« Ihre Augen blieben an ihrer Notiz vom Nebenzimmer hängen.
Ich möchte ein Eis …
»Birne Helene oder Fruchtsalat?«
Elisabeth Fersten grinste. »In diesem Fall erwähle ich Helenen.«
»Das wird sie bestimmt freuen«, entgegnete Winnie vergnügt. »Haben Sie noch genügend Mineralwasser?«
»Ich persönlich benutze Wasser zum Waschen«, erklärte ihre Gesprächspartnerin mit einem schelmischen Lächeln. »Trinken tue ich das hier.« Sie öffnete die Tür des Nachtschranks neben sich.
Winnie entdeckte einen imposanten Camping-Gaskocher, mehrere Ersatzgasflaschen und dazu einen von diesen nostalgischen Espressobereitern zum Aufschrauben.
»Alles andere schmeckt wie eingeschlafene Füße«, befand die alte Dame achselzuckend, und Winnie dachte, dass sie die mit Abstand sympathischste Bewohnerin war, die sie bislang kennengelernt hatte. »Einschließlich dieser Plörre, die sie uns hier jeden Morgen unter dem Decknamen Kaffee vorsetzen. Und wenn das verdammte Zeug zehnmal aus einem Automaten für tausend Euro stammt.«
»Da haben Sie völlig recht«, pflichtete Winnie ihr bei, die bereits mit dem Kaffee des Hauses Bekanntschaft geschlossen hatte.
»Tausend Euro für eine Kaffeemaschine.« Elisabeth Fersten bedachte ihr Fünf-Euro-Kaffeekännchen mit einem verständnislosen Blick. »Früher ist man von so einer Summe vier Wochen in Urlaub gefahren. Und heute macht man schlechten Kaffee damit. Aber Sie sollten mal sehen, wie diese neureichen alten Weiber hier auf diese Spielereien abfahren. Alle wollen sie … Wie heißt das Zeug noch gleich? Ach ja, richtig. Alle wollen Latte. Und am besten auch noch mit Aroma drin.« Sie verzog das Gesicht. »Also, ich finde Kaffee mit Haselnussaroma pervers.«
»Ich auch«, nickte Winnie und wandte sich dem Bett zu. Sie hatte an diesem Morgen bereits vier andere Betten frisch bezogen und sieben weitere gemacht, aber irgendwie hatte sie die richtige Technik noch nicht drauf. Ganz egal, wie sehr sie sich bemühte, das Ergebnis sah aus wie ein zusammengeschlagener Elefant.
Während sie ein monströses Federbett aus seinem Bezug schälte, beobachtete Elisabeth Fersten ihr Treiben mit einer Mischung aus kritischer Prüfung und Amüsement. »Wie sieht es denn heute draußen aus?«, fragte sie, vielleicht, weil sie der Meinung war, dass Winnie ein wenig Unterhaltung gebrauchen konnte. »Kann man die Gehwege wieder benutzen, ohne sich den Hals zu brechen?«
»Ich denke schon.«
»Na, das wird aber auch Zeit. Mir fällt hier drin allmählich die Decke auf den Kopf.«
Winnies Blick streifte den Rollator in der Ecke, der definitiv neu aussah.
»Ich hasse dieses Ding«, erklärte Elisabeth Fersten, die offenbar eine ausgezeichnete Beobachterin war. »Damit durch die Gegend zu turnen ist, als ob Sie mit einem bockenden Esel spazieren gehen. Und niemals, aber auch wirklich niemals tut es das, was es tun soll. Wenn Sie einen Halt brauchen, rollt es weg wie ein verlegener Backfisch, aber sobald Sie voranwollen, rührt es sich nicht mehr von der Stelle.«
Winnie warf das Kissen aufs Bett zurück. »Klingt abenteuerlich.«
»Oh ja, das ist es.« Elisabeth Fersten seufzte. »Das gesamte Alter ist ein einziges großes Abenteuer, wenn Sie mich fragen. Gerade hatte ich zwei wirklich spannende Tage im Bett, weil meine verdammte Hüfte nicht gemacht hat, wie sie soll. Aber das ist ja nicht zu ändern. Irgendwann wird es wieder besser, und gut ist.« Sie stemmte ihren nicht gerade kleinen, aber grazilen Körper aus dem Sessel und machte ein paar mühselige Schritte. »Ist wirklich an der Zeit, dass ich
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