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Schneetreiben

Schneetreiben

Titel: Schneetreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gladow
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hinaus auf den Balkon, auf dem jetzt eine Frau in einem weißen flatternden Gewand aus Taft auftauchte und sie zu sich heranwinkte. Das Gesicht der Gestalt war verhüllt, und dennoch war Carla sicher, dass es Hanna war.
    »Hanna«, rief sie und lief auf sie zu, »Hanna.«
    Sie trat hinaus und erstarrte, als sie hinter dem durchsichtigen Stoff das Gesicht von Susan Kiefer erkannte. Sie schrie auf und wollte fliehen, aber es war zu spät. Kellers mächtige Pranken klammerten sich bereits fest um ihre beiden Schultern.
    »Spring«, forderte er sie schroff auf und stieß sie brutal gegen das Geländer.
    Carla begann zu schreien. »Lass mich!«, brüllte sie immer wieder. »Lass mich!«
    »Carla, komm zu dir, verdammt«, schrie Teubert und schüttelte seine Frau, die in ihrem Nachthemd vor der offenen Terrassentür des Wintergartens stand und um Hilfe schrie.
    Es war drei Uhr morgens. Carla saß in ihren dicken Morgenmantel gehüllt am Küchentisch und drehte die Tasse Tee zwischen ihren Händen hin und her. Sie konnte noch immer nicht fassen, dass das, was sie erlebt hatte, nur ein Traum gewesen sein sollte. Immer wieder starrte sie auf den Eimer, in dem ihr Mann den geschmolzenen Schnee vor der Tür der Veranda aufgewischt hatte. Teubert saß ihr gegenüber und fuhr sich mit der Hand über die Augen. Auch er hatte sich inzwischen einen Bademantel übergezogen und Tee gekocht, nachdem ihr Anfall vorüber gewesen war.
    »Es tut mir so leid«, sagte Carla immer wieder. Sie blickte schuldbewusst auf die aufgekratzten Arme ihres Mannes, gegen dessen Hilfeversuche sie sich in dem Glauben, er sei Keller, so unerbittlich gewehrt hatte.
    »Du hast dich oft genug bei mir entschuldigt«, entgegnete Teubert müde. Auch er hatte offenbar eine Weile gebraucht, um den nächtlichen Schock zu verarbeiten. Carla war nur froh, dass sie diesmal keine Waffe in der Hand gehabt hatte. Teubert heftete seinen Blick auf das Schälchen, in dem ein Schlafmittel lag, und forderte seine Frau abermals auf, noch eine Tablette einzunehmen.
    »Nimm das bitte, Carla«, sagte er in einem Tonfall, als sei sie ein kleines Kind. »Ich möchte, dass du dich ganz und gar beruhigst und entspannst. Du musst endlich einmal wieder richtig zur Ruhe kommen. So geht es wahrlich nicht weiter. Ich kann nicht mehr.«
    Carla griff nach der ovalen Kapsel und spülte sie mit ihrem Tee hinunter. Sie verzog das Gesicht, als müsse sie würgen.
    »So ist es gut«, lobte Teubert. »Es dauert nicht lange, und du wirst hervorragend schlafen.«
    »Wie soll ich schlafen, Konrad?«, fragte Carla und stand auf. Es gelang ihr nicht, stillzusitzen. »Ich traue mir selbst nicht mehr über den Weg. Ich habe Angst, dir irgendwann wieder etwas anzutun.« Carla blieb an der Spüle vor dem Küchenfenster stehen und lehnte sich auf die Arbeitsplatte, während sie nach draußen blickte. Sie spürte, dass die Augen ihres Mannes auf ihr ruhten. Er sprach nicht aus, dass er Angst vor ihr hatte, aber sie konnte sich gut vorstellen, dass es so war.
    »Du musst dich behandeln lassen«, stellte er lediglich fest. »Du musst zu Pfeiffer.«
    »Ja«, räumte Carla ein, »das muss ich vielleicht. Aber ich muss vor allem herausfinden, weshalb Hanna sterben musste.« Sie löste sich wieder von ihrem Platz und schritt ziellos durch die Küche. Gebetsmühlenartig wiederholte sie dabei wieder und wieder, was sie vom Gespräch der Kommissare aufgeschnappt hatte. »Ich habe es genau gehört, Konrad«, beharrte sie. »Die haben gesagt, dass Keller an Hannas Todestag in der Königstraße war.«
    Teubert seufzte. »Carla, bitte setz dich«, forderte er sie auf und sprach erst weiter, als sie an den Tisch zurückgekehrt war. Dann blickte er sie so lange an, bis sie aufhörte, auf ihrem Stuhl herumzuwippen. »Du weißt doch gar nicht, ob du das alles richtig verstanden hast. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Keller Hanna etwas antun wollte.«
    »Doch«, widersprach Carla und ballte ihre Hände zu Fäusten. »Vielleicht steckt er mit Susan Kiefer unter einer Decke. Auch wenn ich vorhin nur geträumt habe, hat dieser Traum mir vielleicht genau das sagen sollen.«
    Bei dem Gedanken, Keller und die ehemalige Geliebte ihres Mannes könnten unter einer Decke stecken, wurdeCarla ganz schlecht. Sie lehnte sich vor und begann zu flüstern, als fürchte sie, man könne sie womöglich hören. »Wer weiß, vielleicht hat sie ihm Geld versprochen, wenn er mich umbringt.« Diese Möglichkeit schien ihr plötzlich derart

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