Schneetreiben
brannte.
42
»Danke, dass du das für mich tust«, sagte Carla. Sie war sicher, dass ihr Mann das Treffen wahrscheinlich nicht arrangiert hätte, wenn er ihr nicht etwas schuldig gewesen wäre.
»Schon in Ordnung«, gab Teubert zurück. »Ich habe mir gedacht, dass du viel zu früh hier sein würdest.«
Carla fror und bebte vor Erregung.
»Wie willst du das hier nur durchstehen?« Teubert schaute auf die Uhr. »Keller soll erst in einer halben Stunde hier aufkreuzen, und du siehst jetzt schon aus, als würdest du jeden Moment in Ohnmacht fallen.«
»Ich weiß«, seufzte Carla, die das Gefühl hatte, dass die Zeit dahinschlich. »Hoffentlich werde ich nicht enttäuscht, und er wird kommen.«
»Mir ist nicht klar, was du dir von dieser ganzen Sache versprichst, aber ich glaube, dass du heute auf jeden Fall etwas anderes erwartest, als passieren wird.« Teubert griff in seine rechte Jackentasche. Er beförderte ein Päckchen Tabletten daraus hervor.
»Hier! Nimm das bitte. Das wird dich beruhigen.«
Carla sah ihn fragend an.
Er lächelte, als habe er ihre Gedanken gelesen und zog diesmal etwas aus seiner linken Jackentasche. »Du kennst mich, ich bin vorbereitet und weiß, dass du diese Tablette nicht ohne einen Schluck Wasser herunterkriegst«, sagte er und schwenkte gleichzeitig einen Plastikbecher vor ihren Augen hin und her. »Ich gehe und fülle das eben mit Wasser.«
Teubert lief zur Küche und kehrte kurz darauf mit dem gefüllten Becher zurück. Carla spülte die Tablette hinunter.
»So ist es gut«, lobte Teubert, »so wirst du das alles weit besser überstehen.«
Carla war irritiert, dass er sie so merkwürdig ansah. Aber sie kam nicht dazu, ihn zu fragen, weshalb er das tat, denn sie hatte die Tablette kaum zu sich genommen, als sie meinte zu halluzinieren. Sie blickte erstarrt an ihm vorbei zur Flurtür.
»Was ist?«, fragte Teubert. Dann wandte er sich um und sah, dass der Lauf einer Jagdwaffe direkt auf sie beide gerichtet war.
43
»Johannes?«, rief Carla erschüttert und blickte ihren väterlichen Freund ungläubig an. »Was, um Himmels willen, machst du hier?«
Hansen richtete den Lauf der Waffe auf Teuberts Kopf aus, der Anstalten machte, auf ihn zuzugehen.
»Keinen Schritt weiter!«, forderte Hansen laut und legte zur Bekräftigung seiner Warnung den Finger auf den Abzug des Jagdgewehrs.
Carla schlug die Hände vor den Mund. »Johannes, was um Himmels willen soll das?«
»Was das soll?«, fragte Hansen. In seiner Stimme schwangen Hass und Verzweiflung mit.
»Was willst du hier, Konrad?«, fragte er dann Teubert in warnendem Ton.
»Wir sind hier mit Keller verabredet«, antwortete Carla für ihren Mann.
Hansen lachte verächtlich auf. »Keller wird nicht auftauchen, da gehe ich jede Wette ein.«
Carla starrte ihn an.
»Johannes, was redest du denn da?«, flüsterte sie. »Nimm verdammt noch mal die Waffe runter.«
»Das werde ich mit Sicherheit nicht tun«, widersprach Hansen und klang dabei so kühl und entschlossen, dass Carla das Blut in den Adern gefror. Ihr wurde schwindelig vor Angst. Jetzt erinnerte sie sich wieder daran, wie Hansen mit der Longierleine in der Hand auf dem Heuschober nebenihr gesessen und wie hasserfüllt er Teubert angesehen hatte, als der dort oben aufgetaucht war.
»Geht es um Geld?«, wollte Carla wissen. »Du hättest doch alles von mir haben können.«
Hansen lachte bitter auf. »Du irrst dich, Carla.«
»Ich verstehe nicht, was du da tust«, sagte Carla.
»Du wirst mich gleich verstehen.« Der Stallmeister fixierte Teubert mit seinem Blick: »Was hast du Carla da gerade gegeben? Irgendetwas, das es dir leichter machen soll, sie über den Balkon zu stoßen? Gib zu, dass du sie umbringen willst!« Sein Zeigefinger zuckte verdächtig am Abzug.
Carla schaute ungläubig zu ihrem Mann hinüber, der die Arme in die Höhe streckte.
»Ich glaube, du fantasierst«, sagte Teubert zu Hansen. Seine Stimme klang fest. »Glaub diesem Verrückten kein Wort«, beschwor er Carla mit einem flüchtigen Seitenblick und starrte dann wieder auf die Waffe.
»Carla wird mir glauben«, sagte Hansen und lächelte überlegen. »Am Anfang habe ich auch gedacht, dass du dir Dinge einbildest, Carla, weil dein Nervenkostüm so dünn ist. Aber dann hast du begonnen, dich immer ängstlicher und merkwürdiger zu verhalten. Ich habe von Anfang an nicht daran geglaubt, dass du verrückt wirst. Und dann habe ich angefangen, deinen Mann zu beobachten.« Hansen schloss ein Auge
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