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Schneewittchen muss sterben

Schneewittchen muss sterben

Titel: Schneewittchen muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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suchen.«
    »Ja, ich weiß. Aber sie hat sie nicht gefunden«, sagte Tobias.
    »O doch, das hat sie«, antwortete Bodenstein. »Allerdings hat sie die Bilder vernichtet, denn Sie hätten sofort erkannt, dass Nadja Sie angelogen hatte.«
    Tobias starrte Bodenstein fassungslos an. Er schluckte mühsam, als er die gewaltige Dimension von Nadjas Lügen und Täuschungen erfasste. Das war beinahe mehr, als er verkraften konnte.
    »Jeder in Altenhain hat die Wahrheit gewusst«, fuhr Pia fort. »Claudius Terlinden hat geschwiegen, um seinen Sohn Lars und seinen Namen zu schützen. Weil er ein schlechtes Gewissen hatte, hat er Sie und Ihre Eltern finanziell unterstützt und …«
    »Das war nicht der einzige Grund«, unterbrach Tobias sie. In seine starren Gesichtszüge kehrte das Leben zurück, er warf seinem Vater einen Blick zu. »Aber jetzt kapiere ich langsam alles. Ihm ging es nur um seine Macht und um …«
    »Um was?«
    Tobias schüttelte nur stumm den Kopf.
    Hartmut Sartorius schwankte. Die Wahrheit über seine Nachbarn und ehemaligen Freunde war für ihn niederschmetternd. Das ganze Dorf hatte geschwiegen und gelogen und aus egoistischen Beweggründen ungerührt dabei zugesehen, wie seine Existenz, seine Ehe, sein guter Ruf, ja sein ganzes Leben ruiniert worden waren. Er ließ sich auf einen der Plastikstühle an der Wand sinken und vergrub das Gesicht in den Händen. Tobias setzte sich neben ihn und legte den Arm um die Schultern seines Vaters.
    »Aber wir haben auch noch gute Nachrichten.« Bodenstein fiel erst jetzt wieder ein, weshalb er und Pia ins Krankenhaus gekommen waren. »Eigentlich waren wir gerade auf dem Weg zu Amelie Fröhlich und Thies Terlinden. Wir haben die beiden heute Mittag im Keller eines Hauses in Königstein gefunden. Frau Dr. Lauterbach hatte sie entführt und dort versteckt.«
    »Amelie lebt?« Tobias richtete sich wie elektrisiert auf. »Geht es ihr gut?«
    »Ja. Kommen Sie doch mit. Amelie wird sich freuen, Sie zu sehen.«
    Tobias zögerte einen Moment, aber dann erhob er sich. Auch sein Vater blickte auf und lächelte zaghaft. Aber Sekunden später erlosch das Lächeln, seine Miene verzerrte sich vor Hass und Zorn. Er sprang auf und schoss mit einer Schnelligkeit, die Pia überraschte, auf einen Mann zu, der eben das Foyer des Krankenhauses betreten hatte.
    »Nein, Papa! Nein!«, hörte sie Tobias' Stimme, erst dann erkannte sie in dem Mann Claudius Terlinden, begleitet von seiner Frau und dem Ehepaar Fröhlich. Offenbar waren sie auf dem Weg zu ihren Kindern. Hartmut Sartorius packte Terlinden am Hals und würgte ihn, Christine Terlinden, Arne und Barbara Fröhlich standen wie gelähmt daneben.
    »Du Schwein!«, knirschte Sartorius voller Hass. »Du dreckiges, hinterhältiges Schwein! Du hast meine Familie auf dem Gewissen!«
    Claudius Terlinden war rot angelaufen, er ruderte verzweifelt mit den Armen, trat nach seinem Angreifer. Bodenstein erfasste die Situation und setzte sich in Bewegung, auch Pia wollte eingreifen, wurde aber von Tobias grob zur Seite gestoßen. Sie prallte gegen Barbara Fröhlich, verlor das Gleichgewicht und stürzte. Leute blieben gaffend stehen. Tobias hatte seinen Vater erreicht und wollte dessen Arm ergreifen, aber in diesem Moment gelang es Claudius Terlinden, sich aus der Umklammerung zu befreien; die Todesangst verlieh ihm übermenschliche Kräfte. Er stieß Sartorius von sich. Pia kam wieder auf die Beine und sah wie in Zeitlupe, wie Hartmut Sartorius durch den heftigen Stoß stolperte und rückwärts in eine offenstehende Feuerschutztür krachte. Tobias begann zu schreien und warf sich über seinen Vater. Plötzlich war überall Blut. Pia erwachte aus ihrer Schreckstarre. Sie zerrte Barbara Fröhlich den Schal vom Hals, kniete sich ungeachtet der Blutlache, die rasch zu einem See wurde, neben Sartorius und presste in der verzweifelten Hoffnung, die heftige Blutung irgendwie stoppen zu können, den hellblauen Paschminaschal gegen die klaffende Wunde an Sartorius' Hinterkopf. Die Beine des Mannes zuckten krampfartig, er röchelte gurgelnd.
    »Ein Arzt! Schnell!«, schrie Bodenstein. »Verdammt, hier muss doch irgendwo ein Arzt sein!«
    Claudius Terlinden kroch hustend und würgend ein Stück zur Seite, die Hände um seinen Hals gelegt. Die Augen quollen ihm aus dem Kopf.
    »Das hab ich nicht gewollt«, stammelte er immer wieder. »Das … das wollte ich nicht. Es war … es war ein Unfall …«
    Pia hörte Schritte und Geschrei wie aus weiter Ferne.

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