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Schneewittchen muss sterben

Schneewittchen muss sterben

Titel: Schneewittchen muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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ohne Leichen. Sitzt der Typ noch?«
    »Eben nicht. Tobias Sartorius wurde am Donnerstag aus der Haft entlassen. Und er ist wieder in Altenhain, bei seinem Vater.«
    Pia dachte ein paar Sekunden nach, dann öffnete sie die Augen.
    »Du meinst, dass es einen Zusammenhang geben könnte zwischen der Haftentlassung und dem Anschlag auf seine Mutter?«
    Bodenstein warf ihr einen belustigten Blick zu. »Unglaublich«, sagte er. »Was denn?«
    »Dein Scharfsinn lässt dich sogar im Halbschlaf nicht im Stich.«
    »Ich bin hellwach«, verteidigte Pia sich und kämpfte mit äußerster Willensanstrengung einen neuerlichen Gähnkrampf nieder.
    Sie passierten das Ortsschild von Altenhain und erreichten die Adresse in der Hauptstraße, die Daniela Lauterbach Bodenstein aufgeschrieben hatte. Bodenstein bog auf den ungepflegten Parkplatz vor der ehemaligen Gaststätte ein. Ein Mann war gerade damit beschäftigt, ein rotes Graffito an der Fassade des Gebäudes mit weißer Farbe zu überpinseln. HIER WOHNT EIN MÖRDERSCHWEIN stand da. Die roten Buchstaben schimmerten noch immer durch die weiße Farbe hindurch. Auf dem Bürgersteig vor der Hofeinfahrt standen drei Frauen mittleren Alters.
    »Du Mörder!«, hörten Bodenstein und Pia eine von ihnen keifen, als sie die Türen öffneten, um auszusteigen. »Verschwinde von hier, du Dreckskerl! Sonst kannst du was erleben!«
    Sie spuckte auf den Boden.
    »Was ist hier los?«, fragte Bodenstein, aber die drei Frauen beachteten ihn nicht und machten sich aus dem Staub. Der Mann hatte die Beschimpfungen völlig ignoriert. Bodenstein grüßte ihn höflich und stellte sich und Pia vor.
    »Was wollten die Frauen von Ihnen?«, erkundigte sich Pia neugierig.
    »Fragen Sie sie doch«, erwiderte der Mann schroff. Er bedachte sie mit einem uninteressierten Blick und fuhr mit seiner Arbeit fort. Trotz der Kälte trug er nur ein langärmeliges graues T-Shirt, Jeans und Arbeitsschuhe.
    »Wir hätten gern mit Herrn Sartorius gesprochen.«
    Da drehte sich der Mann um, und Pia glaubte, ihn wiederzuerkennen.
    »Waren Sie nicht gestern Abend an dem Haus in Neuenhain, in dem Frau Cramer wohnt?«, fragte sie. Wenn er erstaunt war, ließ er es sich nicht anmerken. Er starrte sie, ohne zu lächeln, aus außergewöhnlich meerblauen Augen an, und ihr wurde unwillkürlich heiß.
    »Ja, stimmt«, sagte er. »Ist das verboten?«
    »Nein, natürlich nicht. Aber was wollten Sie dort?«
    »Zu meiner Mutter. Wir waren verabredet, und sie ist nicht aufgetaucht. Ich hab mir Sorgen gemacht.«
    »Ach, dann sind Sie Tobias Sartorius?«
    Seine Augenbrauen zuckten in die Höhe, ein spöttischer Zug erschien um seinen Mund.
    »Ja, der bin ich. Der Mädchenmörder.«
    Er sah auf eine beunruhigende Weise attraktiv aus. Die schmale, weißliche Narbe, die sich von seinem linken Ohr bis zum Kinn zog, machte sein gutgeschnittenes Gesicht interessanter, statt es zu entstellen. Etwas an der Art, wie er sie anschaute, weckte in Pia ein seltsames Gefühl, und sie überlegte, woran das liegen mochte.
    »Ihre Mutter hatte gestern Abend einen schweren Unfall«, mischte sich nun Bodenstein ein. »Sie wurde letzte Nacht noch operiert und liegt jetzt auf der Intensivstation. Ihr Zustand ist kritisch.«
    Pia beobachtete, wie sich Tobias Sartorius' Nasenflügel für einen Moment blähten, er presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Dann warf er achtlos die Farbrolle in den Eimer weißer Farbe und ging zum Hoftor. Bodenstein und Pia wechselten einen kurzen Blick und folgten ihm. Der Hof glich einer Müllhalde. Plötzlich stieß Bodenstein einen unterdrückten Schrei aus und blieb wie versteinert stehen. Pia wandte sich zu ihrem Chef um.
    »Was ist los?«, fragte sie erstaunt.
    »Eine Ratte!«, stieß Bodenstein hervor. Er war kreidebleich geworden. »Das Vieh ist mir direkt über den Fuß gelaufen!«
    »Kein Wunder bei dem ganzen Dreck hier.« Pia zuckte die Schultern und wollte weitergehen, aber Bodenstein stand da, wie zur Salzsäule erstarrt.
    »Ich hasse nichts so sehr wie Ratten«, sagte er mit bebender Stimme.
    »Du bist doch auf einem Gutshof aufgewachsen«, entgegnete Pia. »Da wird es doch die eine oder andere Ratte gegeben haben.«
    »Eben drum.«
    Pia schüttelte ungläubig den Kopf. Eine solche Phobie hätte sie ihrem Chef gar nicht zugetraut!
    »Komm schon«, sagte sie. »Die rennen doch weg, wenn sie uns sehen. Müllratten sind scheu. Meine Freundin, die hatte früher zwei zahme Ratten. Das war etwas anderes. Wir haben mit

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