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Schneewittchen muss sterben

Schneewittchen muss sterben

Titel: Schneewittchen muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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ausschließen, dass ich es war, aber ich müsste mich doch daran erinnern! Und das kann ich bis heute nicht. Es gibt da nur dieses … dieses schwarze Loch. Die Psychologin vor Gericht hat damals behauptet, das menschliche Gehirn würde bei so etwas mitunter wie bei einem Schock mit einer Art Amnesie reagieren. Aber glaubst du nicht, dass ich mich wenigstens an irgendetwas erinnern müsste? Daran, wie ich Laura in den Kofferraum gelegt habe und irgendwo hingefahren bin. Ich weiß einfach
nichts
mehr. Das Letzte, an das ich mich erinnere, ist, wie Stefanie mir gesagt hat, dass sie … dass sie … mich nicht mehr liebt. Und dann waren Felix und Jörg irgendwann an der Tür, da hatte ich aber so viel Wodka getrunken, dass mir nur noch schlecht war. Und plötzlich stehen die Bullen da und behaupten, ich hätte Laura und Stefanie umgebracht!«
    Nadja saß da und blickte ihn aus ihren großen, jadegrünen Augen aufmerksam an.
    »Verstehst du, Nadja.« Sein Tonfall wurde flehend. Der Schmerz in seinem Inneren war wieder da, mächtiger als je zuvor. Zu viel stand auf dem Spiel. Er wollte sich nicht auf eine Beziehung mit Nadja einlassen, wenn er wusste, dass sie mit einer weiteren Enttäuschung enden würde. »Es quält mich schrecklich, nicht zu wissen, was damals wirklich geschehen ist. Bin ich ein Mörder? Oder bin ich keiner?«
    »Tobi«, sagte Nadja leise. »Ich liebe dich. Seit ich denken kann. Es spielt für mich keine Rolle, selbst wenn du es getan haben solltest.«
    Tobias verzog verzweifelt das Gesicht. Sie wollte einfach nicht verstehen. Dabei brauchte er so dringend jemanden, der ihm glaubte. Der an ihn glaubte. Er war für ein Leben als Ausgestoßener nicht gemacht und würde daran zerbrechen.
    »Aber für mich spielt es eine Rolle«, erwiderte er eindringlich. »Ich habe zehn Jahre meines Lebens verloren. Ich habe keine Zukunft mehr. Irgendjemand hat sie mir kaputtgemacht. Und ich kann nicht einfach so tun, als wäre alles vorbei.«
    »Was hast du stattdessen vor?«
    »Ich will die Wahrheit wissen. Auch auf die Gefahr hin, herauszufinden, dass ich es wirklich getan habe.«
    Nadja schob den Stuhl zurück. Sie kam mit leichten Schritten auf ihn zu, schlang ihre Arme um seine Mitte und blickte zu ihm auf.
    »Ich glaube dir«, sagte sie leise. »Und wenn du willst, dann helfe ich dir bei allem, was du tun musst. Aber geh nicht zurück nach Altenhain. Bitte.«
    »Wo soll ich denn sonst hin?«
    »Bleib hier. Oder in meinem Haus im Tessin. Oder in Hamburg.« Sie lächelte, erwärmte sich für ihre Idee. »Genau! Komm doch gleich mit! Das Haus wird dir gefallen. Es liegt direkt am Wasser.«
    Tobias zögerte. »Ich kann doch meinen Vater jetzt nicht alleine lassen. Und meine Mutter braucht mich auch. Wenn es ihr erst bessergeht, dann vielleicht.«
    »Von hier bist du mit dem Auto in einer Viertelstunde bei deinem Vater.« Nadjas große grüne Augen waren dicht vor seinen. Er roch den Duft ihrer Haut, ihres Shampoos. Die halbe männliche Bevölkerung Deutschlands träumte davon, von Nadja von Bredow gebeten zu werden, bei ihr einzuziehen. Was hielt ihn davon ab?
    »Tobi, bitte!« Sie legte ihre Handflächen an seine Wangen. »Ich habe Angst um dich. Ich will nicht, dass dir etwas zustößt. Wenn ich nur daran denke, dass diese Typen dich erwischt hätten statt dieses Mädchens …«
    Amelie! An sie hatte er gar nicht mehr gedacht! Sie war in Altenhain, da, wo sich die Wahrheit über die schrecklichen Ereignisse irgendwo versteckte.
    »Ich pass schon auf mich auf«, versicherte er. »Mach dir keine Sorgen.«
    »Ich liebe dich, Tobi.«
    »Ich liebe dich auch«, erwiderte er und zog sie fest an sich.
    »Chef?« Kai Ostermann stand in der Tür seines Büros, in der Hand hielt er zwei Blätter.
    Bodenstein blieb stehen. »Was gibt's?«, fragte er.
    »Das ist eben per Fax gekommen.« Ostermann reichte ihm die Blätter und warf einen forschenden Blick auf Bodensteins Gesicht, aber da dieser nichts weiter sagte, enthielt auch Ostermann sich eines Kommentars.
    »Danke«, sagte Bodenstein nur und ging mit klopfendem Herzen in sein Büro. Es war das Bewegungsprofil von Cosimas Handy im Zeitraum der letzten vierzehn Tage, das er vorgestern bei der Telekom angefordert hatte. Zum ersten Mal hatte er seine beruflichen Möglichkeiten ausgenutzt, um in einer Privatangelegenheit etwas in Erfahrung zu bringen. Der Drang, Gewissheit zu bekommen, war stärker als sein schlechtes Gewissen wegen eines Vorgehens, das ihm ein böswilliger

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