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Schneewittchen muss sterben

Schneewittchen muss sterben

Titel: Schneewittchen muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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zehn Jahre im Knast, weil ich zwei Mädchen umgebracht habe.«
    Seine Stimme klang nicht bitter, nur müde und resigniert.
    »Ich war drei Wochen im Jugendarrest, weil ich für einen Freund gelogen und behauptet habe, das Dope, das die Bullen gefunden habe, wäre meins«, entgegnete Amelie.
    »Was willst du denn damit sagen?«
    »Dass ich nicht glaube, dass du zwei Mädchen umgebracht hast.«
    »Nett von dir.« Tobias beugte sich vor und verzog das Gesicht. »Ich muss dich dran erinnern, dass es einen Prozess gab mit einem Haufen Beweisen, die allesamt gegen mich sprachen.«
    »Ich weiß.« Amelie zuckte die Schultern. Sie zog noch einmal an ihrer Zigarette, dann schnippte sie die Kippe in die Wiese auf der anderen Seite des geschotterten Weges. Sie musste ihm unbedingt von den Bildern erzählen! Wie sollte sie nur damit anfangen? Sie entschied sich für einen Umweg.
    »Haben die Lauterbachs damals schon hier gewohnt?«, fragte sie.
    »Ja«, erwiderte Tobias erstaunt. »Wieso willst du das wissen?«
    »Es gibt ein Bild«, sagte Amelie. »Eigentlich sogar mehrere. Ich hab sie gesehen, und ich meine, auf drei Bildern ist der Lauterbach drauf.«
    Tobias blickte sie aufmerksam und verständnislos zugleich an.
    »Also, ich glaube, es gibt jemanden, der damals beobachtet hat, was wirklich passiert ist«, fuhr Amelie nach kurzem Zögern fort. »Thies hat mir Bilder gegeben, die …«
    Sie verstummte. Ein Auto kam mit hoher Geschwindigkeit den schmalen Weg hoch, ein silberner Geländewagen. Der Schotter knirschte unter den breiten Reifen, als der Porsche Cayenne direkt vor ihnen anhielt. Eine schöne, blonde Frau stieg aus. Amelie sprang auf und schulterte ihren Rucksack.
    »Warte!« Tobias streckte bittend den Arm nach ihr aus und erhob sich mit schmerzverzerrtem Gesicht. »Was für Bilder? Was ist mit Thies? Nadja ist meine beste Freundin. Du kannst ihr das auch alles erzählen.«
    »Nee, lieber nicht.« Amelie blickte der Frau skeptisch entgegen. Sie war sehr schlank und wirkte sehr elegant mit ihren engen Jeans, dem Rollkragenpullover und der beigefarbenen Daunenweste mit dem auffälligen Logo eines teuren Designerlabels. Das glatte, blonde Haar hatte sie zu einem Knoten frisiert, auf ihrem ebenmäßigen Gesicht lag ein besorgter Ausdruck.
    »Hallo!«, rief die Frau und kam näher. Sie musterte Amelie kurz mit einem misstrauischen Blick, dann wandte sich ihr ausschließliches Interesse Tobias zu.
    »O mein Gott, Schatz!« Sie legte ihre Hand sanft an seine Wange. Diese vertraute Geste versetzte Amelie einen Stich, und sie verspürte sofort eine heftige Abneigung gegen diese Nadja.
    »Wir sehen uns später«, sagte sie schnell und ließ die beiden allein.
    Pia hatte ein zweites Mal an diesem Tag an einem Küchentisch Platz genommen und höflich einen Kaffee abgelehnt, nachdem sie Hartmut Sartorius von Manfred Wagners Geständnis und Verhaftung unterrichtet hatte.
    »Wie geht es Ihrer Exfrau?«, fragte sie dann.
    »Unverändert«, erwiderte Sartorius. »Die Ärzte reden nur drum rum und legen sich nicht fest.«
    Pia betrachtete das ausgemergelte und müde Gesicht von Tobias' Vater. Der Mann hatte nicht viel weniger leiden müssen als die Wagners, im Gegenteil: Während den Eltern der Opfer Mitgefühl und Solidarität entgegengebracht wurde, hatte man die Eltern des Täters ausgegrenzt und für das Tun ihres Sohnes bestraft. Das Schweigen wurde unbehaglich. Pia wusste selbst nicht, warum sie hierhergefahren war. Was wollte sie eigentlich hier?
    »Lässt man Sie und Ihren Sohn denn jetzt einigermaßen in Ruhe?«, fragte sie schließlich. Hartmut Sartorius stieß ein kurzes, bitteres Lachen aus. Er zog eine Schublade auf und holte einen zerknitterten Zettel heraus, den er Pia reichte.
    »Der war heute im Briefkasten. Tobias hat ihn weggeworfen, aber ich habe ihn wieder aus dem Mülleimer geholt.«
    Mörderpack,
las Pia.
Verschwindet von hier, bevor noch ein Unglück passiert.
    »Ein Drohbrief«, stellte sie fest. »Anonym, oder?«
    »Natürlich.« Sartorius zuckte die Schultern und setzte sich wieder an den Tisch. »Gestern haben sie Tobias in der Scheune überfallen und zusammengeschlagen.« Seine Stimme schwankte, er kämpfte um Beherrschung, aber in seinen Augen glänzten plötzlich Tränen.
    »Wer?«, wollte Pia wissen.
    »Die alle.« Sartorius machte eine hilflose Handbewegung. »Sie trugen Masken und hatten Baseballschläger. Als ich … als ich Tobias in der Scheune gefunden habe … da … dachte ich zuerst, er

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