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Schneewittchen muss sterben

Schneewittchen muss sterben

Titel: Schneewittchen muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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Flugzeughangar Rennen gefahren sind?
Das hatte Jörg am Donnerstagabend in der Garage gesagt. Natürlich konnte er sich erinnern! Auch an diesem Abend waren sie dorthin unterwegs gewesen, Stefanie hatte ihn gedrängt, schnell loszufahren, damit sie alleine im Auto waren. Jörgs Vater Manfred Richter war beim Fernmeldeamt gewesen und hatte in den siebziger und achtziger Jahren auf dem Gelände des ehemaligen Militärflughafens gearbeitet! Als Kinder hatten Jörg, er und die anderen ihn gelegentlich begleiten und auf dem verwilderten Areal spielen dürfen, während er dort zu tun hatte. Später dann, als sie älter waren, hatten sie dort heimlich Autorennen veranstaltet und Partys gefeiert. Und nun war Lauras Skelett genau dort gefunden worden. Konnte das ein Zufall sein?
    Wie aus dem Boden gewachsen stand er vor ihr, gerade als sie sich noch einmal umgewandt hatte, um einen letzten Blick auf Tobias und diese blonde Schnecke mit dem Luxusschlitten zu werfen.
    »Mensch, Thies!«, stieß sie erschrocken hervor und wischte sich verstohlen die Tränen von der Wange. »Musst du mich so erschrecken, verdammt?«
    Manchmal war es ihr schon unheimlich, wie lautlos Thies auftauchen und verschwinden konnte. Erst jetzt bemerkte sie, dass er krank aussah. Seine Augen lagen tief in den Höhlen und glänzten fiebrig. Er zitterte am ganzen Körper, hielt die Arme fest um seinen Oberkörper geschlungen. Ihr schoss der Gedanke durch den Kopf, dass er wirklich wie ein Irrer wirkte. Sofort schämte sie sich dafür.
    »Was ist mit dir? Geht's dir nicht gut?«, fragte sie.
    Er reagierte nicht, blickte sich nervös um. Sein Atem ging schnell und stoßweise, als sei er gerannt. Plötzlich löste er die Arme von seinem Oberkörper und ergriff zu Amelies großem Erstaunen ihre Hand. Das hatte er noch nie getan. Berührungen waren ihm zuwider, das wusste sie.
    »Ich konnte Schneewittchen nicht beschützen«, sagte er mit heiserer, angespannter Stimme. »Aber auf dich passe ich besser auf.«
    Seine Augen wanderten unruhig hin und her, immer wieder blickte er zum Waldrand hoch, als erwarte er aus dieser Richtung irgendeine Gefahr. Amelie schauderte. Die Puzzlestückchen setzten sich mit einem Mal wie von selbst in ihrem Kopf zusammen.
    »Du hast gesehen, was passiert ist, stimmt's?«, flüsterte sie. Thies wandte sich abrupt um und zog sie mit sich, ihre Hand immer noch fest umklammert. Amelie stolperte hinter ihm her durch einen matschigen Graben und dichtes Gestrüpp. Als sie den schützenden Wald erreicht hatten, verlangsamte Thies das Tempo etwas, dennoch war es viel zu schnell für Amelie, die zu viel rauchte und zu wenig Sport trieb. Eisern hielt er ihre Hand fest; als sie stolperte und hinfiel, zerrte er sie gleich wieder hoch. Es ging bergauf. Trockene Zweige knackten unter ihren Füßen, Elstern zeterten in den Wipfeln der Tannen. Unvermittelt blieb er stehen. Amelie blickte sich keuchend um und erkannte durch die Bäume ein Stück unterhalb des Hangs die hellroten Dachziegel der Terlinden-Villa. Schweiß rann über ihr Gesicht, sie hustete. Warum war Thies um das ganze Grundstück herumgelaufen? Der Weg quer durch den Park wäre weitaus weniger beschwerlich gewesen. Er ließ ihre Hand los und machte sich an einem rostigen, schmalen Tor zu schaffen, das sich mit einem widerwilligen Quietschen öffnete. Amelie folgte ihm durch das Tor und sah, dass sie sich direkt hinter der Orangerie befanden. Thies wollte wieder nach ihrer Hand greifen, aber sie entzog sie ihm.
    »Warum rennst du wie ein Bekloppter durch die Gegend?«
    Sie versuchte, das Unbehagen, das sie plötzlich erfüllte, zu verdrängen, aber mit Thies stimmte etwas ganz und gar nicht. Die beinahe lethargische Ruhe, die er üblicherweise an den Tag legte, war verschwunden, und als er sie nun anblickte, ganz direkt und ohne ihrem Blick auszuweichen, erschreckte sie der Ausdruck in seinen Augen.
    »Wenn du niemandem etwas sagst«, sagte er leise, »dann zeige ich dir mein Geheimnis. Komm!«
    Er öffnete die Tür der Orangerie mit dem Schlüssel, der unter der Fußmatte lag. Sie überlegte kurz, ob sie einfach weglaufen sollte. Aber Thies war ihr Freund, er vertraute ihr. Also beschloss sie, auch ihm zu vertrauen, und folgte ihm in den Raum, den sie gut kannte. Er schloss die Tür von innen sorgfältig ab und blickte sich um.
    »Kannst du mir sagen, was mit dir los ist?«, fragte Amelie. »Ist irgendetwas passiert?«
    Thies antwortete nicht. Er rückte im hinteren Teil des großen

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