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Schneewittchen muss sterben

Schneewittchen muss sterben

Titel: Schneewittchen muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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wollte lächeln, aber das Lächeln wurde zu einer Grimasse.
    »Anders als die Leute hier, wollte ich sagen.« Er drückte ihre Hand. »Amelie ist gerade mal siebzehn. Sie ist wie eine kleine Schwester.«
    »Na, dann pass mal auf, dass du der kleinen Schwester nicht den Kopf verdrehst mit deinen blauen Augen.« Nadja entzog ihm ihre Hand und schlug die Beine übereinander. Sie blickte ihn mit schräggelegtem Kopf an. »Ich glaube, du hast keinen blassen Schimmer davon, wie du auf Frauen wirkst, oder?«
    Ihre Worte erinnerten ihn an früher. Wieso hatte er damals nie bemerkt, dass in Nadjas kritischen Bemerkungen über andere Mädchen immer ein Funken von Eifersucht gesteckt hatte?
    »Ach, komm schon«, sagte er und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Amelie arbeitet im Schwarzen Ross und hat da einiges aufgeschnappt, was sie so gehört hat. Unter anderem hat sie Manfred Wagner auf dem Fahndungsfoto erkannt. Er war es, der meine Mutter von der Brücke gestoßen hat.«
    »Wie bitte?«
    »Ja. Und sie glaubt auch, dass der Pietsch, der Richter und der Dombrowski mich gestern Nacht zusammengeschlagen haben. Sie kamen gestern ungewöhnlich spät zu ihrem Skatabend.«
    Nadja starrte ihn ungläubig an. »Das ist nicht dein Ernst!«
    »Doch. Außerdem ist Amelie der festen Überzeugung, dass es jemanden gibt, der damals etwas beobachtet hat, was mich entlasten könnte. Gerade als du gekommen bist, wollte sie mir etwas von Thies, vom Lauterbach und von irgendwelchen Bildern erzählen.«
    »Das wäre ja … das … das wäre ja ungeheuerlich!« Nadja sprang auf und ging ein paar Schritte bis zu ihrem Auto. Sie drehte sich um und sah Tobias aufgebracht an. »Aber warum hat denn derjenige nie etwas gesagt?«
    »Tja, wenn ich das nur wüsste.« Tobias lehnte sich zurück und streckte vorsichtig die Beine aus. Jede Bewegung seines geschundenen Körpers schmerzte, trotz der Tabletten. »Auf jeden Fall muss Amelie auf irgendetwas gestoßen sein. Stefanie hatte mir damals erzählt, sie hätte was mit dem Lauterbach. Du erinnerst dich an ihn, oder?«
    »Natürlich.« Nadja nickte heftig und starrte ihn an.
    »Ich dachte erst, sie sagt das nur so, um sich wichtig zu machen, aber dann habe ich die beiden zusammen hinter dem Zelt gesehen, auf der Kerb. Das war der Grund, weshalb ich schnurstracks nach Hause gegangen bin. Ich war …«, er brach ab, suchte nach den richtigen Worten, um den Gefühlsaufruhr zu beschreiben, der damals in ihm getobt hatte. Kein Blatt Papier hätte zwischen die beiden gepasst, so eng beieinander hatten sie dagestanden, und der Lauterbach hatte seine Hand auf ihrem Po liegen gehabt. Die jähe Erkenntnis, dass Stefanie mit anderen Männern herummachte, hatte ihn wie ein Strudel in ein tiefes Loch gerissen.
    »… wütend«, ergänzte Nadja gerade.
    »Nein«, widersprach Tobias. »Ich war eben nicht
wütend.
Ich war … verletzt und traurig. Ich habe Stefanie echt geliebt!«
    »Stell dir mal vor, das käme raus.« Nadja lachte leise und ein wenig boshaft. »Was meinst du, was das für Schlagzeilen geben würde: ein Kinderficker als Kultusminister!«
    »Meinst du denn, die hatten ein richtiges Verhältnis?«
    Nadja hörte auf zu lachen. In ihren Augen lag ein eigenartiger Ausdruck, den er nicht deuten konnte. Sie zuckte die Achseln.
    »Zugetraut hätte ich es ihm auf jeden Fall. Er war ja wie bekloppt hinter seinem Schneewittchen her, hat ihr sogar die Hauptrolle gegeben, obwohl sie so was von talentfrei war! Wenn sie nur um die Ecke kam, hing ihm die Zunge aus dem Hals.«
    Plötzlich waren sie mittendrin in dem Thema, das sie bisher so sorgfältig vermieden hatten. Tobias hatte sich damals nicht gewundert, dass Stefanie die Hauptrolle im Weihnachtsmärchen der Theater AG bekommen hatte. Schon rein äußerlich war sie die ideale Besetzung für das Schneewittchen. Er erinnerte sich lebhaft an den Abend, als es ihm das erste Mal richtig aufgefallen war. Stefanie war in sein Auto gestiegen, sie hatte ein weißes Sommerkleid getragen und roten Lippenstift, das dunkle Haar hatte im Fahrtwind geweht.
Weiß wie Schnee, rot wie Blut, schwarz wie Ebenholz –
das hatte sie selbst gesagt und gelacht. Wohin waren sie gefahren, an jenem Abend? In dieser Sekunde traf ihn die Erkenntnis wie ein Blitzschlag. Da war der Gedanke wieder, der seit Tagen in seinem Kopf herumspukte! …
könnt ihr euch erinnern, wie meine Schwester den Schlüsselbund von meinem Alten für den Flugplatz geklaut hat und wir in dem alten

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