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Schneewittchen muss sterben

Schneewittchen muss sterben

Titel: Schneewittchen muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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fuhr ein Stück rückwärts, um zu wenden. »Terlinden läuft uns nicht weg …«
    Sie fuhren an der rückwärtigen Ausfahrt des Sartorius-Hofes vorbei, auf dem es vor Beamten wimmelte. Der Durchsuchungsbeschluss war anstandslos erteilt worden. Kathrin Fachinger hatte Pia gestern Abend noch spät angerufen, um ihr das mitzuteilen. In erster Linie hatte sie ihr aber erzählen wollen, wie die Sache mit den internen Ermittlern ausgegangen war. Tatsächlich war es mit der Nachsicht, die Behnke bisher genossen hatte, vorbei, daran hatte auch Bodensteins Versuch einer Intervention nichts ändern können. Da Behnke keine Genehmigung für seinen Zweitjob eingeholt hatte, musste er nun mit einem Disziplinarverfahren, einer Rüge in seiner Personalakte und höchstwahrscheinlich sogar mit einer Rückstufung des Dienstgrades rechnen. Außerdem hatte Dr. Engel ihm klipp und klar ins Gesicht gesagt, dass sie, sollte er sich Kathrin Fachinger gegenüber in irgendeiner Weise unangemessen verhalten oder sie gar bedrohen, seine sofortige Suspendierung vom Dienst veranlassen würde. Pia selbst hätte wohl nie eine offizielle Beschwerde gegen ihn eingereicht. War das ein Zeichen von Feigheit oder von Loyalität unter Kollegen? Offen gestanden bewunderte sie ihre jüngere Kollegin für ihre Courage, einen Kollegen bei der Dienstaufsicht anzuzeigen. Sie alle hatten Kathrin offensichtlich unterschätzt.
    Der sonst leere Parkplatz vor dem Goldenen Hahn war ebenfalls voller Polizeifahrzeuge. Auf dem Bürgersteig gegenüber hatten sich trotz des Regens Neugierige eingefunden. Sechs oder sieben ältere Leute, die nichts Besseres zu tun hatten. Bodenstein und Pia stiegen aus. Hartmut Sartorius war gerade damit beschäftigt, einen neuen Schriftzug mit der Wurzelbürste von der Fassade der ehemaligen Gaststätte zu entfernen. Ein hoffnungsloses Unterfangen. ACHTUNG, stand da, HIER WOHNT EIN MÄDCHENMÖRDER!
    »Das kriegen Sie mit Seifenlauge nicht weg«, sagte Bodenstein. Der Mann wandte sich um. In seinen Augen standen Tränen, er bot ein Bild des Jammers mit dem nassen Haar und dem durchweichten blauen Kittel.
    »Warum lassen sie uns nicht in Ruhe?«, fragte er verzweifelt. »Früher waren wir gute Nachbarn. Unsere Kinder haben zusammen gespielt. Und jetzt ist da nur noch Hass!«
    »Gehen wir ins Haus«, schlug Pia behutsam vor. »Wir schicken Ihnen jemanden, der das entfernt.«
    Sartorius ließ die Wurzelbürste in den Eimer fallen. »Ihre Leute stellen das Haus und den Hof auf den Kopf.« Seine Stimme klang anklagend. »Das ganze Dorf redet schon wieder deshalb. Was wollen Sie von meinem Sohn?«
    »Ist er da?«
    »Nein.« Er hob die Schultern. »Ich weiß nicht, wohin er gefahren ist. Ich weiß gar nichts mehr.«
    Sein Blick irrte an Pia und Bodenstein vorbei. Urplötzlich, und mit einer Wut, die sie beide überraschte, ergriff er den Eimer und rannte über den Parkplatz. Er schien vor ihren Augen zu wachsen, wurde für einen Moment zu dem Mann, der er früher einmal gewesen sein musste.
    »Haut ab, ihr verdammten Arschlöcher!«, brüllte er und schleuderte den Eimer mit heißer Seifenlauge quer über die Straße auf die Leute, die sich dort versammelt hatten. »Verpisst euch endlich! Lasst uns in Ruhe!«
    Seine Stimme überschlug sich, er war drauf und dran, sich auf die Gaffer zu stürzen, als Bodenstein seinen Arm zu fassen bekam. Der Energieschub verpuffte so schnell, wie er gekommen war. Sartorius fiel unter Bodensteins festem Griff in sich zusammen wie ein Luftballon, dem die Luft entweicht.
    »Entschuldigung«, sagte er leise. Ein zittriges Lächeln huschte über sein Gesicht. »Aber das hätte ich schon längst einmal tun sollen.«
    Da das Haus von den Kollegen der Spurensicherung durchsucht wurde, schloss Hartmut Sartorius den Hintereingang zur Gaststätte auf und führte Pia und Bodenstein in den großen, rustikal eingerichteten Gastraum, in dem alles so aussah, als sei lediglich für die Mittagspause abgeschlossen worden. Stühle standen auf den Tischen, auf dem Boden war kein Stäubchen zu sehen, in Kunstleder gebundene Speisekarten lagen in einem ordentlichen Stapel neben der Kasse. Der Tresen war auf Hochglanz gewienert, die Bierzapfanlage blitzte, die Barhocker standen in Reih und Glied. Pia blickte sich um und fröstelte. Hier schien die Zeit stehengeblieben zu sein.
    »Ich bin jeden Tag hier«, erklärte Sartorius. »Schon meine Eltern und Großeltern haben den Hof bewirtschaftet und den Goldenen Hahn betrieben. Ich bringe

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