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Schneewittchen muss sterben

Schneewittchen muss sterben

Titel: Schneewittchen muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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weder einen Scheißkaffee trinken noch in die Scheißbadewanne! Er wollte aus ihrem Mund hören, dass sie an seine Unschuld glaubte, und mit ihr gemeinsam überlegen, was mit Amelie geschehen sein könnte. Stattdessen redete sie von Kaffee und Aufwärmen, als sei das jetzt wichtig!
    Nadjas Handy klingelte wieder, wenig später das Festnetztelefon. Mit einem Seufzer stand sie auf und nahm das Gespräch entgegen. Tobias starrte vor sich auf den Tisch. Obwohl ihm der Oberbulle ganz offensichtlich nicht geglaubt hatte, machte er sich mehr Sorgen um Amelie als um sich selbst. Nadja kehrte zurück, trat hinter ihn und schlang die Arme um seinen Hals. Sie küsste sein Ohr und seine unrasierte Wange. Tobias musste sich beherrschen, um sich nicht gewaltsam von ihr loszumachen. Ihm stand nicht der Sinn nach Zärtlichkeiten. Merkte sie das nicht? Er bekam eine Gänsehaut, als sie mit ihrem Zeigefinger die Strangmarke an seinem Hals entlangfuhr, die die Wäscheleine hinterlassen hatte. Nur damit sie aufhörte, ergriff er ihr Handgelenk, rückte mit dem Stuhl nach hinten und zog sie auf seinen Schoß.
    »Ich war am Samstagabend mit Jörg und Felix und ein paar anderen in der Garage von Jörgs Onkel«, flüsterte er eindringlich. »Wir haben zuerst Bier getrunken, dann dieses Red-Bull-Zeug mit Wodka drin. Das hat mich total umgehauen. Als ich am Sonntagnachmittag aufgewacht bin, hatte ich einen Riesenkater und einen totalen Filmriss.«
    Ihre Augen waren ganz dicht vor seinen, aufmerksam blickte sie ihn an.
    »Hm«, machte sie nur. Er glaubte zu verstehen, was sie dachte.
    »Du zweifelst an mir«, warf er ihr vor und schob sie von sich. »Du denkst, ich hätte Amelie … umgebracht, so wie damals Laura und Stefanie! Stimmt's?«
    »Nein! Nein, das tue ich nicht!«, beteuerte Nadja. »Warum hättest du Amelie etwas antun sollen? Sie wollte dir doch helfen!«
    »Ja, eben. Ich verstehe es ja auch nicht.« Er stand auf, lehnte sich an den Kühlschrank und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Fakt ist, dass ich mich an die Zeit zwischen halb zehn abends und vier Uhr Sonntagnachmittag nicht mehr erinnere. Im Prinzip hätte ich es tun können, und so sehen es auch die Bullen. Dazu kommt, dass Amelie zigmal versucht hat, mich anzurufen. Und mein Vater sagt, ich sei um halb zwei nachts von der Lauterbach nach Hause gebracht worden. Sie hat mich besoffen an der Bushaltestelle vor der Kirche gefunden.«
    »Scheiße«, sagte Nadja und setzte sich hin.
    »Du sagst es.« Tobias entspannte sich ein wenig, griff nach den Zigaretten, die auf dem Tisch lagen, und zündete sich eine an. »Die Bullen haben mir gesagt, dass ich mich zur Verfügung halten soll.«
    »Aber wieso denn das?«
    »Weil ich verdächtig bin, ganz einfach.«
    »Aber … aber das können sie doch nicht machen«, begann Nadja.
    »Sie können«, unterbrach Tobias sie. »Sie haben es schon einmal getan. Das hat mich zehn Jahre gekostet.«
    Er inhalierte den Rauch der Zigarette, starrte an Nadja vorbei in die neblige, graue Düsternis. Die kurze Schönwetterphase war vorüber, der November zeigte sich von seiner ungemütlichsten Seite. Dichter Regen rauschte aus tiefhängenden, schwarzen Wolken gegen die großen Scheiben. Die Friedensbrücke war nur als schwache Silhouette zu erkennen.
    »Es muss jemand gewesen sein, der die Wahrheit kennt«, sinnierte Tobias und griff nach der Kaffeetasse.
    »Wovon redest du?« Nadja betrachtete ihn mit schräggelegtem Kopf. Tobias blickte auf. Es ärgerte ihn, dass sie so ruhig und beherrscht wirkte. »Von Amelie«, erwiderte er und registrierte ein kurzes Hochschnellen ihrer Augenbrauen. »Ich bin mir sicher, dass sie irgendetwas Gefährliches herausgefunden hat. Sie muss von Thies ein oder mehrere Bilder bekommen haben, aber was genau darauf zu sehen war, hat sie mir nicht mehr gesagt. Ich glaube, jemand fühlte sich durch sie bedroht.«
    Das hohe, mit vergoldeten Spitzen versehene Tor vor dem Anwesen der Familie Terlinden war geschlossen, auch auf mehrfaches Klingeln öffnete niemand. Nur die kleine Kamera mit dem rot blinkenden Licht folgte jeder ihrer Bewegungen. Pia signalisierte ihrem Chef, der telefonierend im Auto saß, mit einem Schulterzucken die Ergebnislosigkeit ihrer Bemühungen. Zuvor hatten sie bereits vergeblich versucht, Claudius Terlinden in seiner Firma zu sprechen. Er sei wegen eines privaten Problems nicht im Büro, hatte seine Sekretärin bedauernd mitgeteilt.
    »Wir fahren zu Sartorius.« Bodenstein ließ den Motor an und

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