Schneewittchen-Party
Fächer?«
»Mathematik und Latein.«
»Erinnern Sie sich an eine junge Dame, die hier vor zwei Jahren unterrichtet hat – Janet White?«
Elizabeth Whittaker erstarrte. Sie erhob sich halb von ihrem Stuhl und ließ sich wieder zurücksinken.
»Aber das – das kann doch gar nichts mit all dem hier zu tun haben?«
»Vielleicht doch«, sagte Poirot.
»Aber wie? In welcher Beziehung?«
In der Schule war man nicht so gut informiert wie der Dorfklatsch, dachte Poirot.
»Joyce hat vor Zeugen behauptet, vor ein paar Jahren einen Mord gesehen zu haben. Kann das Ihrer Meinung nach vielleicht der Mord an Janet White gewesen sein? Wie ist sie denn umgebracht worden?«
»Als sie eines Abends von der Schule nachhause ging, wurde sie erwürgt.«
»War sie allein?«
»Wahrscheinlich nicht.«
»Aber nicht mit Nora Ambrose zusammen?«
»Was wissen Sie denn von Nora Ambrose?«
»Bis jetzt nichts«, sagte Poirot. »Aber ich würde gern etwas über sie wissen. Wie waren die beiden, Janet White und Nora Ambrose?«
»Sex-besessen,« sagte Elizabeth Whittaker, »aber auf verschiedene Art. Wie kann denn Joyce so etwas gesehen oder davon gewusst haben? Es ist in der Nähe vom Wald am Steinbruch passiert, auf einem Fußweg. Sie ist damals nicht älter als zehn oder elf gewesen.«
»Welche von den beiden hatte einen Freund?«, fragte Poirot.
»Das ist doch alles vorbei.«
»Wo ist Nora Ambrose jetzt?«
»Sie hat einen andern Posten im Norden angenommen – sie war natürlich sehr mitgenommen. Sie waren ja – sehr befreundet gewesen.«
»Und die Polizei hat den Fall nie geklärt?«
Miss Whittaker schüttelte den Kopf. Sie stand auf und sah auf die Uhr.
»Ich muss jetzt gehen.«
»Ich danke Ihnen, dass Sie mit mir gesprochen haben.«
11
H ercule Poirot betrachtete die Fassade des Hauses am Steinbruch. Ein solides, gut gebautes Exemplar viktorianischer Baukunst. Er konnte sich die Einrichtung genau vorstellen – schwere Mahagoni-Möbel, vielleicht ein Billardzimmer, eine große Küche mit Steinfußboden, ein riesiger Kohlenherd, der jetzt wohl durch einen Gas- oder Elektroherd ersetzt worden war.
Er läutete an der Tür. Eine dünne, grauhaarige Frau öffnete ihm und sagte, dass Colonel und Mrs Westen in London seien und nicht vor nächster Woche zurückkämen.
Er fragte nach dem Steinbruch-Park und bekam die Auskunft, dass er geöffnet sei und man keinen Eintritt zu zahlen brauche. Der Eingang sei ein paar hundert Meter weiter die Straße entlang, durch ein Schild an einem eisernen Gartentor gekennzeichnet.
Er fand den Weg ohne Schwierigkeit, ging durch das Gartentor und folgte einem Fußweg, der bergab durch Bäume und Sträucher führte.
Schließlich blieb er stehen und starrte in Gedanken versunken vor sich hin. Er dachte nicht nur über das nach, was er sah, sondern beschäftigte sich mit ein, zwei Sätzen, ein, zwei Tatsachen, die ihm schwer zu denken gegeben hatten. Ein gefälschtes Testament und ein Mädchen. Ein Mädchen, das verschwunden war, ein Mädchen, zu dessen Gunsten das Testament gefälscht worden war. Ein junger Künstler, der aus beruflichen Gründen hierher gekommen war, um aus einem alten Steinbruch einen Garten zu machen. Mrs Levin-Smith hatte überall auf der Welt Gärten besichtigt, und sie wollte selbst einen Garten besitzen, einen Garten, der einen alten, verwahrlosten Steinbruch in einem besonders selbstgefälligen, ordentlichen und von Grund auf konventionellen Landstrich Englands in ein Paradies verwandelte.
Und so hatte sie sich also nach einem geeigneten, gut bezahlten Sklaven umgesehen, der ihre Wünsche ausführen würde. Und sie hatte einen qualifizierten jungen Mann mit Namen Michael Garfield gefunden, hatte ihn kommen lassen, ihm zweifellos ein Riesenhonorar gezahlt und zu gegebener Zeit ein Haus gebaut. Und Michael Garfield, dachte Poirot, als er sich umblickte, hatte sie nicht enttäuscht.
Er ließ sich auf einer Bank nieder, die an einem besonders schönen Punkt aufgestellt war. Er stellte sich vor, wie der Garten im Frühling aussehen würde. Junge Buchen und Birken mit ihren weißborkigen Stämmen. Weißdorn und weiße Rosen, kleine Wacholderbäume. Aber jetzt war Herbst, und auch für den Herbst war vorgesorgt. Das goldrote Laub des Ahorns, ein, zwei Essigbäume. Sträucher, strotzend von roten Beeren, Sanddorn oder Feuerdorn – Poirots Kenntnisse von Blumen und Büschen waren nicht gerade umfassend – nur Rosen und Tulpen konnte er auseinanderhalten.
Alles, was
Weitere Kostenlose Bücher