Schneewittchen-Party
schüttelte den Kopf, als wenn sie das unbefriedigt ließe.
»Nein, nicht von der Polizei. Ich bin privat durch eine Freundin an diesen Fall gekommen.«
Sie nahm sich einen Stuhl und schob ihn ein bisschen zurück, um Poirot besser zu sehen.
»Ja. Was also möchten Sie gern wissen?«
»Ich glaube nicht, dass ich Ihnen das sagen muss. Wir brauchen keine Zeit mit Fragen zu verschwenden, die vielleicht unwichtig sind. An dem Abend ist etwas bei dem Kinderfest passiert, das ich wissen muss. Stimmt’s?«
»Ja.«
»Sie waren auf der Kindergesellschaft?«
»Ja.« Sie überlegte einen Augenblick. »Es war ein sehr schönes Kinderfest. Gut arrangiert und gut geleitet. Etwa dreißig Leute waren da, das heißt, wenn man die Helferinnen mitzählt.«
»Waren Sie bei den Vorbereitungen dabei, die, glaube ich, am Nachmittag oder Vormittag stattfanden?«
»Es gab eigentlich nichts zu helfen. Mrs Drake wurde mit wenigen Helfern sehr gut fertig, und es handelte sich auch hauptsächlich um Vorbereitungen im Haushalt.«
»Ah so. Aber Sie waren als Gast bei dem Kinderfest?«
»Ja.«
»Und was ist da passiert?«
»Den Ablauf des Festes kennen Sie sicherlich schon. Sie möchten gern wissen, ob ich Ihnen irgendetwas sagen kann, was mir besonders auffiel oder das meiner Meinung nach von Bedeutung sein könnte? Sie müssen verstehen, ich will Ihre Zeit nicht unnötig in Anspruch nehmen.«
»Das werden Sie bestimmt nicht tun. Erzählen Sie mir doch ganz einfach, Miss Whittaker.«
»Alles lief also genau nach Plan ab. Zuletzt kam der Feuerdrachen, durch den es sehr warm wurde im Zimmer. Ich ging deshalb hinaus in die Diele. Während ich da stand, sah ich Mrs Drake aus der Toilette im ersten Stock kommen. Sie hatte eine große Vase in der Hand – Herbstblätter und Blumen. Sie blieb einen Augenblick auf dem Treppenabsatz stehen und sah über das Treppengeländer hinunter. Nicht in meine Richtung, sondern zum andern Ende der Diele, zur Tür, die zur Bibliothek führt. Sie drehte die Vase ein bisschen andersherum, denn sie trug sich schlecht und war, wenn sie mit Wasser gefüllt war, wie ich annehme, sehr schwer. Diese Prozedur dauerte ein, zwei Minuten, und die ganze Zeit sah sie gar nicht auf die Vase, sondern hinunter in die Diele. Und dann machte sie eine plötzliche Bewegung – als wenn sie zusammenzuckte – ja, es musste sie etwas erschreckt haben. So stark, dass sie die Vase losließ, die herunterfiel und sich dabei drehte, sodass sich das ganze Wasser über Mrs Drake ergoss. Die Vase landete mit einem Knall unten in der Diele und sprang in tausend Stücke.«
»Aha«, sagte Poirot. Er schwieg einen Augenblick und sah sie aufmerksam an. Sie hatte einen klugen und erfahrenen Blick. Ihre Augen schienen ihn zu fragen, was er von dem allen halte. »Was hat sie denn Ihrer Meinung nach so erschreckt?«
»Hinterher, als ich darüber nachgedacht hatte, ist mir der Gedanke gekommen, dass sie etwas gesehen hat.«
»Sie dachten, sie hat etwas gesehen«, wiederholte Poirot nachdenklich. »Zum Beispiel?«
»Wie ich Ihnen ja sagte, blickte sie direkt auf die Tür zur Bibliothek. Ich halte es für möglich, dass sie gesehen hat, wie diese Tür sich öffnete oder die Klinke herunterging oder vielleicht sogar noch mehr. Sie hat vielleicht gesehen, wie jemand die Tür geöffnet hat und gerade herauskommen wollte. Das kann jemand gewesen sein, auf den sie nicht gefasst war.«
»Sahen Sie auch zu der Tür?«
»Nein. Ich habe hinauf zu Mrs Drake gesehen.«
»Und Sie nehmen fest an, dass sie etwas gesehen hat und erschrak?«
»Ja. Vielleicht wie sich die Tür öffnete. Vielleicht auch eine Person, möglicherweise eine unerwartete, die gerade herauskam. Jedenfalls etwas, das sie so erschreckte, dass sie die volle Vase fallen ließ.«
»Sahen Sie jemand aus der Tür kommen?«
»Nein. Ich sah ja nicht hin. Ich glaube auch nicht, dass wirklich jemand herausgekommen ist. Wahrscheinlich hat sich derjenige schnell wieder zurückgezogen.«
»Was hat Mrs Drake dann gemacht?«
»Sie stieß einen zornigen Schrei aus, kam die Treppe herunter und sagte zu mir: ›Sehen Sie sich das an, was ich hier gemacht habe! Wie sieht das aus!‹ Sie schob ein paar Scherben mit dem Fuß weg, und ich half ihr dann, alles in eine Ecke zu fegen. Im Augenblick war es nicht möglich, die Scherben ganz zu beseitigen, denn die Kinder fingen an, aus dem Esszimmer in die Diele zu kommen. Ich holte noch schnell ein Tuch und wischte Mrs Drake ein bisschen ab, und dann
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