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Schneewittchen-Party

Schneewittchen-Party

Titel: Schneewittchen-Party Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Kinderfest selbst, sondern davor bei den Vorbereitungen. Sie hat nämlich behauptet, sie hätte einmal einen Mord gesehen.«
    »Hat man ihr geglaubt?«
    »Ich glaube, im Großen und Ganzen nicht.«
    »Das scheint auch die wahrscheinlichste Reaktion zu sein. Joyce – ich spreche offen zu Ihnen, Monsieur Poirot, denn wir wollen doch unser objektives Urteil nicht durch unnötige Sentimentalitäten vernebeln –, Joyce also war ein recht durchschnittliches Kind, weder dumm noch besonders begabt. Sie war, ganz ehrlich gesagt, eine pathologische Lügnerin. Und ich meine damit nicht, dass sie aus betrügerischen Absichten log. Sie wollte damit nicht einer Strafe entgehen oder vermeiden, dass sie bei irgendeiner kleinen Sünde entdeckt wurde. Sie gab einfach an. Sie gab mit Dingen an, die gar nicht passiert waren, aber ihre Freundinnen beeindrucken sollten. Als Ergebnis neigte man natürlich allgemein dazu, ihr ihre Aufschneidereien nicht zu glauben.«
    »Sie glauben also, dass sie diese Mordgeschichte nur erzählt hat, um sich wichtig zu machen, um jemand zu beeindrucken?«
    »Ja. Und ich würde sagen, dass zweifellos Ariadne Oliver diejenige war, die beeindruckt werden sollte.«
    »Sie glauben also nicht, dass Joyce überhaupt einen Mord gesehen hat?«
    »Ich würde das jedenfalls sehr bezweifeln.«
    »Sie sind der Meinung, dass sie sich das Ganze ausgedacht hat?«
    »Das würde ich nicht sagen. Sie hat vielleicht wirklich einen Autounfall mit angesehen, oder wie jemand auf dem Golfplatz von einem Ball getroffen und verletzt worden ist – etwas, was sie zu einem eindrucksvollen Geschehen ummodeln konnte, das man eventuell als Mordversuch gelten lassen könnte.«
    »So bleibt als einzige Annahme, von der wir mit einiger Sicherheit ausgehen können, dass ein Mörder unter den Anwesenden des Kinderfestes war.«
    »Gewiss doch«, sagte Miss Emlyn, ohne mit der Wimper zu zucken. »Gewiss doch. Das ist doch logisch.«
    »Haben Sie vielleicht irgendeine Vorstellung, wer dieser Mörder gewesen sein kann?«
    »Es ist sehr vernünftig, dass Sie mich das fragen«, sagte Miss Emlyn. »Schließlich war die Mehrzahl der Kinder bei diesem Kinderfest zwischen neun und fünfzehn Jahre alt, und ich nehme an, fast alle sind einmal Schüler meiner Schule gewesen oder sind es noch. Da muss ich ja etwas über sie wissen. Auch etwas über ihre Familien und ihr Milieu.«
    »Eine Ihrer Lehrerinnen, glaube ich, ist vor ein, zwei Jahren von einem unbekannten Täter erwürgt worden.«
    »Meinen Sie Janet White? Sie war etwa vierundzwanzig Jahre alt. Ein sehr emotionelles Mädchen. Soweit man weiß, war sie allein spazieren gegangen. Sie kann sich natürlich mit einem jungen Mann getroffen haben. Auf eine zurückhaltende Weise war sie sehr attraktiv für Männer. Ihr Mörder ist nie gefunden worden. Die Polizei hat verschiedene junge Männer verhört oder sie gebeten, sie bei ihren Nachforschungen zu unterstützen, wie der Terminus technicus heißt, aber es war nicht möglich, genügend Beweismaterial zusammenzubekommen, um irgendjemand anzuklagen. Ein sehr unbefriedigender Ausgang für die Polizei. Und ich muss sagen, für mich auch.«
    »Sie und ich, wir haben etwas Grundsätzliches gemein. Wir sind gegen den Mord.«
    Miss Emlyn sah ihn einen Augenblick an. Ihr Gesichtsausdruck änderte sich nicht, aber Poirot hatte das Gefühl, dass er einer sehr eingehenden Prüfung unterzogen wurde. Sie schwieg, und auch Poirot sagte nichts. Sie schien etwas zu überlegen.
    Dann erhob sie sich und drückte eine Klingel.
    »Ich glaube«, sagte sie, »Sie sollten sich einmal mit Miss Whittaker unterhalten.«
    Etwa fünf Minuten vergingen, nachdem Miss Emlyn das Zimmer verlassen hatte. Dann öffnete sich die Tür, und eine etwa vierzigjährige Frau kam herein. Sie hatte graubraunes, kurz geschnittenes Haar und betrat das Zimmer mit energischen Schritten.
    »Monsieur Poirot?«, fragte sie. »Kann ich etwas für Sie tun? Miss Emlyn scheint das zu denken.«
    »Wenn Miss Emlyn das denkt, dann wird das auch stimmen. Ich verlasse mich da ganz auf sie.«
    »Sie kennen sie?«
    »Ich habe sie erst heute Nachmittag kennen gelernt.«
    »Aber Sie haben sich sehr schnell ein Urteil über sie gebildet.«
    »Ich hoffe, Sie können mir sagen, dass ich Recht habe.«
    Elizabeth Whittaker stieß einen kurzen Seufzer aus.
    »O ja, Sie haben Recht. Ich nehme an, es geht um Joyce Reynoldsens Tod. Ich weiß nicht genau, was Sie damit zu tun haben. Sind Sie von der Polizei?«, Sie

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