Schneewittchen-Party
seinem Gesicht. Er war groß, schlank, sein Gesicht hatte die Regelmäßigkeit einer griechischen Statue. Er hatte dunkle Augen und schwarzes Haar, das seinen Kopf wie eine Kappe umschloss. Poirot sagte:
»Vielleicht darf man hier gar nicht eindringen? Dann muss ich um Entschuldigung bitten. Ich bin fremd hier und erst gestern angekommen.«
»Es ist nicht gerade verboten.« Seine Stimme war sehr leise, höflich, aber auf eine seltsame Weise uninteressiert, als ob die Gedanken des Mannes in Wirklichkeit weit weg wären. »Ein öffentlicher Park ist es gerade nicht, aber es kommen Leute her und gehen hier spazieren. Oberst Weston und seine Frau stört es nicht. Stören würde sie, wenn hier etwas kaputtgemacht würde, aber das ist nicht sehr wahrscheinlich.«
»Keine Unordnung«, sagte Poirot und blickte um sich. »Kein weggeworfenes Papier, nicht mal ein Papierkorb. Das ist doch sehr ungewöhnlich, nicht wahr? Und es ist auch ganz menschenleer – seltsam. Man sollte doch meinen«, fuhr er fort, »dass man hier Liebespaare finden würde.«
»Liebespaare kommen hier nicht her«, sagte der junge Mann. »Aus irgendeinem Grund soll der Garten Unglück bringen.«
»Sind Sie vielleicht der Gartenarchitekt?«
»Ich bin Michael Garfield«, sagte der junge Mann.
»Das dachte ich mir«, sagte Poirot. Er beschrieb mit der Hand einen Halbkreis. »Das hier haben Sie gemacht?«
»Ja«, sagte Michael Garfield.
»Es ist wunderschön«, sagte Poirot. »Irgendwie empfindet man es als ungewöhnlich, wenn etwas von solcher Schönheit in einer Landschaft entsteht, die – nun ja, ehrlich gesagt, ziemlich langweilig ist. Ich gratuliere Ihnen. Sie müssen mit dem, was Sie hier gemacht haben, sehr zufrieden sein.«
»Ich weiß nicht. Ist man je zufrieden?«
»Sie haben diesen Garten, glaube ich, für eine Mrs Levin-Smith angelegt. Sie ist nicht mehr am Leben, soweit ich weiß. Jetzt wohnen hier ein Oberst Weston und seine Frau, glaube ich. Gehört denen jetzt der Garten?«
»Ja. Sie sind billig dran gekommen. Es ist ein sehr großes, unschönes Haus – sehr unpraktisch – nicht das, was die meisten Leute haben wollen. Sie hatte es mir vermacht.«
»Und Sie haben es verkauft.«
»Das Haus habe ich verkauft.«
»Und den Garten nicht?«
»O doch. Der Garten gehört dazu, das war praktisch eine Zugabe.«
»Ach – warum?«, fragte Poirot. »Das ist interessant. Es macht Ihnen doch nichts, wenn ich vielleicht ein bisschen neugierig bin?«
»Ihre Fragen sind nicht ganz das Übliche«, sagte Michael Garfield.
»Sie haben mir eben gesagt, Sie seien nicht ganz zufrieden, weil das niemand ist. War Ihre Auftraggeberin, Ihre Klientin oder wie Sie dazu sagen – war sie zufrieden? Mit diesem herrlichen Garten?«
»In gewisser Hinsicht ja«, sagte Michael. »Ich habe darauf geachtet. Man konnte sie sehr leicht zufrieden stellen.«
»Das klingt aber sehr unwahrscheinlich«, sagte Hercule Poirot. »Sie war, wie ich gehört habe, über sechzig. Wenigstens fünfundsechzig. Sind Menschen in diesem Alter je zufrieden zu stellen?«
»Ich konnte sie überzeugen, dass alles, was ich machte, genau ihren Anordnungen, Entwürfen und Ideen entsprach.«
»Und stimmte das?«
»Fragen Sie mich das im Ernst?«
»Nein«, sagte Poirot. »Nein. Ehrlich gesagt, nicht.«
»Wenn man im Leben Erfolg haben will«, sagte Michael Garfield, »muss man die Berufslaufbahn einschlagen, die man sich wünscht, muss man seinen künstlerischen Begabungen, so weit vorhanden, Rechnung tragen, muss man aber auch Geschäftsmann sein. Jeder muss die Waren, die er hat, verkaufen. Sonst ist man dazu verurteilt, die Ideen anderer Leute auf eine Weise auszuführen, die einen nicht befriedigt. Ich habe hauptsächlich meine eigenen Ideen ausgeführt und habe das Ganze meiner Klientin als direktes Ergebnis ihrer eigenen Pläne und Entwürfe verkauft. Das zu lernen, ist nicht schwer. Es ist nicht schwieriger, als einem Kind braune statt weißer Eier zu verkaufen. Der Kunde muss überzeugt werden, dass das, was er erhält, das Beste, das einzig Richtige ist.«
»Sie sind ein sehr ungewöhnlicher junger Mann«, sagte Poirot. »Arrogant«, fügte er nachdenklich hinzu.
»Vielleicht.«
»Sie haben hier etwas sehr Schönes geschaffen. Ich gratuliere Ihnen. Ich spreche Ihnen meine Hochachtung aus. Die Hochachtung eines alten Mannes, der sich einem Lebensalter nähert, das das Ende seiner eigenen Arbeit anzeigt.«
»Aber im Augenblick arbeiten Sie noch.«
»Sie wissen also,
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