Schneewittchen-Party
Stellung gedacht und sich entsprechend benommen hätte, wäre es besser für ihn gewesen. Eines Abends gab es Krach im ›Grünen Schwan‹, und auf dem Heimweg wurde Lesley Ferrier erstochen.«
»War es eines von den Mädchen oder eher Mrs Grüner Schwan?«
»Wirklich, bestimmt sagen lässt sich das in diesem Fall nicht. Ich glaube, die Polizei hielt es für ein Verbrechen aus Eifersucht – aber – « Er zuckte die Achseln. »Lesley Ferrier hatte auch Verbindung mit ein paar nicht ganz einwandfreien Typen, machte mit ihnen dunkle Geschäfte. Und bei diesen Leuten ist man nie sicher. Der geringste Verdacht, dass man sich von ihnen absetzen will, und schon hat man ein Messer zwischen den Rippen.«
»Und niemand hat es gesehen?«
»Nein, niemand.«
»Aber irgendjemand kann es doch gesehen haben. Jemand, von dem man es nie glauben würde. Ein Kind zum Beispiel.«
»Spät am Abend? In der Nachbarschaft vom ›Grünen Schwan‹? Das klingt nicht sehr glaubhaft, Monsieur Poirot.«
»Ein Kind«, verfolgte Poirot hartnäckig seinen Gedanken weiter, »das sich eines Tages daran erinnert. Ein Kind, das auf dem Heimweg von einer Freundin ist. Es kann einen Fußweg entlanggekommen sein oder hinter einer Hecke gestanden und es beobachtet haben.«
»Wirklich, Monsieur Poirot, was haben Sie für eine Fantasie. Was Sie da sagen, scheint mir äußerst unwahrscheinlich.«
»Mir nicht«, sagte Poirot. »Kinder sehen nun einmal viel. Sie sind so oft dort, wo man sie nicht erwartet.«
»Aber dann gehen sie doch nachhause und erzählen, was sie gesehen haben.«
»Vielleicht auch nicht«, sagte Poirot. »Sehen Sie, vielleicht wissen sie gar nicht genau, was sie eigentlich gesehen haben. Besonders, wenn es ihnen ein bisschen Angst gemacht hat. Nicht immer gehen Kinder nachhause und erzählen einen Unfall, den sie gesehen haben, oder irgendeine Gewalttat. Kinder können ihre Geheimnisse sehr gut für sich behalten. Und über sie nachdenken. Manchmal finden sie es sogar schön, ein Geheimnis zu haben und es für sich zu behalten.«
»Sie würden es ihren Müttern erzählen«, sagte Mr Fullerton.
»Da bin ich gar nicht so sicher«, sagte Poirot. »Nach meinen Erfahrungen gibt es sehr viele Dinge, die Kinder ihren Müttern nicht erzählen.«
»Wenn ich fragen darf, was interessiert Sie denn so an dem Fall Lesley Ferrier?«
»Ich wollte davon wissen, weil es sich hier um einen gewaltsamen Tod handelt, der vor wenigen Jahren passiert ist. Das kann für mich wichtig sein.«
»Wissen Sie, Mr Poirot«, sagte Mr Fullerton mit leichter Schärfe, »ich verstehe wirklich nicht ganz, warum Sie eigentlich zu mir gekommen sind und was Sie wissen wollen. Sie können doch nicht annehmen, dass zwischen Joyce Reynoldsens Tod und der Ermordung eines jungen Mannes, der begabt, aber leicht kriminell war und der seit einigen Jahren tot ist, eine Verbindung besteht?«
»Man kann alles annehmen«, sagte Poirot. »Man muss Näheres herausfinden.«
»Entschuldigen Sie, aber wenn es sich um ein Verbrechen handelt, muss man als Erstes Beweise haben.«
»Vielleicht haben Sie gehört, dass Joyce vor mehreren Zeugen behauptet hat, sie habe einen Mord gesehen.«
»An einem Ort wie diesem«, sagte Mr Fullerton, »hört man im Allgemeinen jedes Gerücht, das gerade die Runde macht. Und im Allgemeinen, wenn ich das hinzusetzen darf, hört man es in einer übertriebenen Form, die nicht eben glaubhaft scheint.«
»Das«, sagte Poirot, »stimmt. Joyce war eben dreizehn. Ein Kind von neun Jahren könnte doch etwas, was es gesehen hat, im Gedächtnis behalten – einen Verkehrsunfall mit Fahrerflucht, einen Kampf oder ein Handgemenge mit Messern an einem dunklen Abend oder auch, wie eine Lehrerin erwürgt wird – so etwas würde ein Kind sehr stark beeindrucken, es würde aber nicht darüber sprechen – vielleicht weil es sich nicht ganz klar darüber ist, was es denn wirklich gesehen hat –, sondern würde es bei sich behalten. Vielleicht würde es alles sogar vergessen, bis etwas passiert, was es wieder daran erinnert. Sie stimmen mir doch zu, dass das möglich ist?«
»O ja, ja, aber doch kaum – ich glaube, das ist doch sehr weit hergeholt.«
»Außerdem ist hier noch eine junge Ausländerin verschwunden. Ihr Name war, glaube ich, Olga oder Sonja – den Zunamen weiß ich nicht genau.«
»Olga Seminoff. Ja.«
»Nicht sehr zuverlässig, fürchte ich?«
»Nein.«
»Sie war Gesellschafterin oder Pflegerin bei Mrs Levin-Smith, nicht wahr, von der
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