Schneewittchen-Party
Übereinstimmung gebracht werden. Nehmen Sie zum Beispiel eine Fälschung. Die Tatsache, dass eine Fälschung stattgefunden hat. Alle sagen, dass eine Ausländerin, ein Au-pair-Mädchen, sich so sehr bei einer älteren und sehr reichen Witwe eingeschmeichelt hat, dass diese reiche Witwe ein Testament hinterließ oder ein Kodizill zu ihrem Testament, in dem sie dem Mädchen ihr gesamtes Geld vermachte. Hat nun das Mädchen das Testament gefälscht oder jemand anders?«
»Wer anders könnte das denn getan haben?«
»Es gab einen zweiten Fälscher im Dorf. Das heißt, jemand, der schon einmal wegen einer Fälschung vor Gericht war, aber wegen mildernder Umstände und weil er nicht vorbestraft war, mit einer leichten Strafe davonkam.«
»Ist das jemand Neues? Kenne ich ihn?«
»Nein, er ist tot.«
»Oh. Wann ist er gestorben?«
»Vor etwa zwei Jahren. Das genaue Datum weiß ich noch nicht. Aber ich werde es wissen müssen. Er hatte bereits eine Fälschung begangen und wohnte hier im Dorf. Und weil er in irgendwelche Liebeshändel geriet, bei denen Eifersucht und andere Gefühle eine Rolle spielten, wurde er eines Nachts erstochen. Sehen Sie, ich meine, dass viele einzelne Ereignisse, von denen ich gehört habe, viel enger in Verbindung stehen, als man denkt. Nicht alle. Wahrscheinlich nicht alle, aber einige.«
»Das klingt interessant«, sagte Mrs Oliver, »aber ich verstehe nicht recht – «
»Bis jetzt kann ich das auch noch nicht«, sagte Poirot, »aber ich glaube, da können einem Daten weiterhelfen. Die Daten, an denen gewisse Dinge passiert sind, Leute an bestimmten Orten waren, Bestimmtes erlebt oder getan haben. Alle glauben, dass das Mädchen das Testament gefälscht hat«, sagte Poirot, »und wahrscheinlich haben alle Recht. Sie war diejenige, die davon Vorteile hatte, stimmt’s? Warten Sie – warten Sie – «
»Worauf?«, fragte Mrs Oliver.
»Einen Gedanken, der mir eben durch den Kopf ging«, sagte Poirot.
Mrs Oliver seufzte.
»Fahren Sie bald nach London zurück, Madame? Oder bleiben Sie länger hier?«
»Übermorgen«, sagte Mrs Oliver. »Ich kann nicht länger bleiben. Ich habe eine Menge zu erledigen.«
»Sagen Sie – in Ihrer Wohnung oder in Ihrem Haus, ich weiß jetzt nicht, was Sie haben, Sie sind in letzter Zeit so oft umgezogen – haben Sie da Platz genug, um Gäste aufnehmen zu können?«
»Das gebe ich nie zu«, sagte Mrs Oliver. »Denn wenn man sagt, dass man in London ein Gästezimmer hat, dann ist man geliefert. Alle Freunde, und nicht nur alle Freunde, sondern auch Bekannte oder manchmal sogar angeheiratete Verwandte von den Bekannten schreiben einem und fragen, ob es einem was ausmachen würde, sie für eine Nacht aufzunehmen. Und es macht mir was aus. Der ganze Umstand mit Leintüchern und Bettbezügen und Kopfkissenbezügen, und dann wollen sie Frühstück haben oder erwarten sogar, dass man für sie kocht. Deshalb lasse ich niemand wissen, dass ich ein Gästezimmer habe. Meine Freunde kommen und wohnen bei mir, Leute, die ich gern sehen möchte. Aber die andern – nein, da bin ich gar nicht sehr hilfsbereit. Ich mag es nicht, wenn man mich ausnutzt.«
»Wer mag das schon?«, sagte Hercule Poirot. »Das ist sehr klug von Ihnen.«
»Aber was soll das alles heißen?«
»Sie könnten, wenn es notwendig werden sollte, ein oder zwei Gäste bei sich aufnehmen?«
»Das könnte ich«, sagte Mrs Oliver vorsichtig. »Wen soll ich denn aufnehmen? Sie doch nicht. Sie haben doch selbst eine wunderbare Wohnung. Ultramodern, sehr abstrakt, alles rechteckig und kubistisch.«
»Nein, nur für den Fall, dass man Vorsichtsmaßnahmen treffen müsste.«
»Für wen? Ist noch jemand in Gefahr, ermordet zu werden?«
»Ich hoffe nicht, aber es liegt im Bereich der Möglichkeit.«
»Aber wer? Wer? Ich verstehe das nicht.«
»Wie gut kennen Sie Ihre Freundin?«
»Kennen? Nicht gut. Sie ist verwitwet, ihr Mann starb und ließ sie in ziemlich schlechten finanziellen Verhältnissen zurück, sie und ihre Tochter Miranda, die Sie ja kennen gelernt haben. Aber es ist wahr, ich habe ein komisches Gefühl, wenn ich an sie denke. Ein Gefühl, als wenn sie irgendwie wichtig seien, als wenn sie in ein interessantes Drama verwickelt seien. Aber ich will gar nicht wissen, in was für ein Drama. Ich möchte nicht, dass sie es mir erzählen. Ich möchte mir lieber ausdenken, in was für ein Drama ich sie gern verwickelt sehen würde.«
»Ja, ja, ich verstehe. Die beiden sind – nun, offensichtlich
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