Schneewittchens Tod
am Swimmingpool. Sie trug einen in allen Orangetönen changierenden Sari und zierliche Gucci-Sandalen aus geflochtenem Leder.
Als sie Chib mit dem länglichen Metallkasten unter dem Arm sah, setzte sie sich auf.
»Oh, ist er das? Ist das …«
»Ja, wollen Sie ihn sehen?«
»Hier? Nein, gehen wir ins Haus.«
Er folgte ihr.
Ein großer Salon mit weißen Möbeln, der Boden aus rosafarbenem Marmor, die Wände mit lachsfarbenem Leinen bespannt, zwei Vasarelys, ein Hopper, ein Digitalfernseher mit zwei Boxen, ein Stapel Vogue auf dem niedrigen Rosenholztisch.
Noemie schien nervös, sie rieb sich die Arme, als wäre ihr kalt.
»Ich glaube, ich brauche ein Gläschen. Es ist das erste Mal . Ich .«
»Ich empfehle ihnen ein Tröpfchen Cognac«, riet Chib, »da geht's Ihnen gleich besser.«
»Ah ja?«
Sie ging an den Barschrank mit Intarsienarbeit und griff nach einer Karaffe aus geschliffenem Kristall.
»Für Sie auch?«
»Ein kleiner Schluck, danke«, antwortete er mit der Unterwürfigkeit eines livrierten Lakaien.
Sie nahm zwei Cognacgläser und füllte sie zur Hälfte. Eines reichte sie Chib und nahm schnell einen Schluck aus dem anderen, ehe sie sagte: »Also los!«
Er stellte sein Glas auf dem Couchtisch ab und öffnete behutsam die große Metallkiste. Scotty erschien auf seinem Sockel, eine Pfote angehoben, den Schwanz hochgestellt.
»Oh, das ist .«
Eine Hand aufs Herz gelegt, betrachtete Noemie den präparierten Hund. Sie setzte sich und trank noch einen Schluck.
»Das ist überraschend, nicht wahr … ihn so zu sehen … Als würde der kleine Liebling mich gleich begrüßen. O mein Gott, wenn Papa dich sieht …«, sagte sie zu dem Hund.
Dann fügte sie, an Chib gewandt, hinzu: »Sie haben wunderbare Arbeit geleistet, Monsieur Moreno.«
Noch ein Schluck. Chib nippte nur an seinem Glas, um ihr Gesellschaft zu leisten. Er hatte sich noch nicht von seinem Rausch und den Ereignissen des Vortages erholt. Noemie Labarriere stand auf, kramte in ihrer Handtasche und zog schließlich ein Scheckheft hervor. Chib reichte ihr seine Rechnung, die sie mit ausgestrecktem Arm von sich hielt und kurz überflog.
»Ich habe meine Brille am Pool vergessen, mal sehen … hm .«
Ohne weitere Kommentare legte sie die Rechnung wieder hin und schrieb mit zusammengekniffenen Augen den Scheck aus.
»Mein Mann hat mir erzählt, dass Sie gestern in Begleitung einer bezaubernden jungen Frau hier waren. Ihre Verlobte?«
»Eine Freundin«, bemerkte Chib lächelnd und steckte den Scheck ein. »Es ist amüsant, Ihre Freundin Winifried hat mir dieselbe Frage gestellt.«
»Winnie?«
»Hm«, bestätigte Chib, »Wir haben sie im Wald getroffen.«
»Was machte Winnie denn im Wald? Der armen Kleinen graust es vor Piniennadeln.«
»Ich dachte, sie hätte Ihnen einen Besuch abgestattet.«
»Aber ich war gar nicht da!«, rief Noemie und zog die Brauen hoch.
»Darum ist sie ja auch wieder gegangen«, erklärte Chib und strich das Fell auf Scottys Kopf zurecht.
Noemie schien aus der Fassung gebracht. Dann kniff sie die Lippen zusammen »Winifried ist ein sehr ungewöhnlicher Vorname«, fuhr Chib fort.
»Sie ist Deutsche. Remi hat sie bei einem Kongress in Frankfurt kennen gelernt.«
»Ah, sie arbeitet auch im Finanzsektor?«
»Sie servierte den Kaffee«, erklärte Noemie spöttisch. »Sie war die Sekretärin eines der Teilnehmer. Remi hat sie im wahrsten Sinne des Wortes abgeworben.«
Sie stieß ein kleines spitzes Lachen aus und schien mächtig stolz auf ihre Bemerkung.
»Sie scheinen einander sehr zugetan«, meinte Chib-der-König-der-exquisiten-Konversation.
»Paul denkt, Remi sollte sich's gründlich überlegen, ehe er sich zu eng bindet. Sie wissen ja, wie das ist … die jungen Frauen ohne Vermögen haben eine eindeutige Vorliebe für ältere und reichere Herren . Das scheint genetisch bedingt zu sein.«
Er lächelte höflich. Sie strich leicht über Scottys Kopf und zog die Hand zurück.
»Das ist fast ein wenig widerwärtig«, gestand sie. »Er ist wundervoll, aber .«
Aber er ist tot. Du fummelst an einen Kadaver herum, und das wird dir plötzlich bewusst.
»Oh, es ist schon Mittag, in einer Viertelstunde muss ich zum Tennis!«
Chib verabschiedete sich.
Die hohe Zypressenhecke verbarg den Blick auf das Anwesen der Andrieus. Aber Chib wusste, dass Blanche auf der anderen Seite war. Wie ein auf eine eisige Matratze geworfener Schatten. Er griff zu seinem Handy und wählte ihre Nummer.
»Ja,
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