Schneewittchens Tod
Tierarzt von Opio befürchtet, dass sich ein Verrückter in der Gegend rumtreibt«, sagte Chib, der ihm folgte.
»Wer diesen Hund getötet hat, ist mit Sicherheit verrückt«, pflichtete Costa ihm bei. »Stimmt, in diesem Jahr sind viele Hunde durch Unfälle umgekommen.«
»Osmond könnte Anzeige erstatten, hier handelt es sich ja nicht um einen Unfall.«
»Ja. Er wird das sicher mit der Polizei besprechen. Entschuldigen Sie mich .«
Er bog zum Werkzeugschuppen ab und ließ Chib vor dem Wintergarten stehen. Sollte er es Blanche und Dubois erzählen? Blanche würde es ohnehin von den Osmonds erfahren. Dass ein Sadist ihrem Hund Tobias den Bauch aufgeschlitzt und den verstümmelten Kadaver in die Schubkarre der Andrieus gelegt hatte. Am Tag, nachdem man die Leiche von Elisabeth-Louise Andrieu gestohlen und entweiht hatte. Wie passte das alles in diese großbürgerliche Welt in den Hügeln? Wie ein Faustschlag in einen Bilderbogen aus Epinal, sagte sich Chib, als er den grünen Salon betrat. Ein blutiger Schnitt mit der Gartenschere in einer seichten Sitcom. Aber warum?
Dubois saß auf der Kante seines Stuhls und balancierte eine Tasse Tee auf den Knien. Blanche hatte sich in ihrem Sessel zurückgelehnt, ihre Hände umklammerten die Armlehnen.
»Störe ich?«
Dubois fuhr herum und verschüttete dabei ein wenig Tee. Blanche deutete ein Lächeln an.
»Ah, Moreno! Ist Ihre Freundin nicht da?«, fragte der Priester.
»Nein, sie hat .«
Beinahe hätte er gesagt, »sie hat Vorlesung«, doch er besann sich gerade noch.
»Sie hat zu viel zu tun. Ein anderer Fall … sie hat mich gebeten, ihr zu helfen, da die Umstände .«
Blanche sah durch das Glasdach in den Himmel.
»Wie dick diese Wolke ist«, sagte sie mit tonloser Stimme.
Automatisch hoben sie den Blick. Eine graue Masse zog über ihre Köpfe hinweg, wie ein Schiff aus Baumwolle mit verbogenem Bug.
Dubois stellte seine Tasse auf den Tisch.
»Ich gehe jetzt, Blanche, und Sie müssen sich ausruhen.«
»Ebenso wie Sie, nicht wahr?«, meinte sie ironisch.
Dubois erhob sich, ohne zu antworten.
»Ich habe die Nonnen von Sainte-Eulalie gebeten, für Sie und die Ihren zu beten.«
Dieses Mal antwortete Blanche nicht.
»Es sind Franziskanerinnen«, erklärte Dubois, als er mit Chib auf den Hof hinaustrat, »Frauen, die in sozialer Hinsicht ebenso engagiert sind wie in spiritueller. Also, was haben Sie gefunden?«
»Einen jungen getöteten Hund. Er liegt in der Schubkarre hinter dem Haus.«
»Wie wurde er getötet?«
»Mit einer Gartenschere.«
Der Priester kniff die schmalen Lippen zusammen, seine Augen funkelten.
»Es schleicht ganz dicht um uns herum, nicht wahr?«, murmelte er. »Wie ein Schatten, wie ein dunkler, kalter Schatten. Aber ich lasse nicht zu, dass es dieses Haus weiter besudelt!«, fügte er entschlossen hinzu.
»Glauben Sie wirklich, dass wir es mit . mit einem übernatürlichen Wesen zu tun haben?«, stammelte Chib.
»Ich glaube, dass wir es mit einer übernatürlichen und bösen Macht zu tun haben, noch dazu mit einer schlechten, die sich in einem menschlichen Körper inkarniert hat. Sie wollen mir doch wohl nicht weismachen, dass jemand, der mit den Geheimnissen der Isis vertraut ist, nicht an die Kräfte der Nacht glaubt!«
»Nun, Theorien aufzustellen ist eines, mit ihnen konfrontiert zu werden, etwas anderes.«
Dubois klopfte ihm auf die Schulter.
»Männer wie Sie glauben nur, an das, was sie sehen. Also, dann machen Sie die Augen auf. Satan ist am Werk. Zeigen Sie mir den Hund.«
Nachdem der Priester den kleinen ausgenommenen Hundekadaver betrachtet hatte, kehrten sie langsam in den Hof zurück. Costa schnitt noch immer die Lorbeerhecke, sein Mickymaus-T-Shirt war schweißdurchtränkt. Er lächelte Dubois an.
»Gehört er zu Ihrer Gemeinde?«, fragte Chib.
»Er ist einer der Gläubigsten«, bestätigte der Priester. »Er besucht jeden Samstag die Abendmesse. Ein frommer, aufrechter Mann.«
Der es mit dem ältesten Sohn des Hauses treibt, höhnte Chib innerlich, da kann man wohl von aufrecht sprechen .
Dubois seufzte.
»Ich muss gehen. Halten Sie mich auf dem Laufenden.«
Er stieg in seinen alten blauen Clio und fuhr los. Blanche war allein. Andrieu würde erst morgen zurückkommen. Chib könnte sich also durchaus in ihrem Zimmer verstecken und die Nacht mit ihr verbringen. Er könnte den Floride auf der D 9 parken und unbemerkt durch den Wald zurückkommen. Die Vorstellung, Blanche die ganze Nacht über in den Armen zu
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