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Schneewittchens Tod

Schneewittchens Tod

Titel: Schneewittchens Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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Wirklichkeit ging sie ihm allmählich auf die Nerven. Er hatte Lust, sie zu schütteln. Sie verhielt sich weiterhin affektiert, versuchte, ihn zu betören, unbewusst vielleicht, das konnte er nicht sagen. Sie stellte sich sicher gerne vor, Macht über die Männer zu haben. Eine Beziehung zwischen provokanter Herrin und unterwürfigem Diener. Genau richtig für dich, Chib, den mustergültigen Diener, den perfektesten aller Jasager.
    Sie schenkte sich einen ebenso kräftigen Schuss nach wie beim ersten Mal. Er setzte seinen Joker ein.
    »Haben Sie wegen irgendeines kleinen Napoleons eine Depression gehabt?«
    Sie leerte ihr Glas, ehe sie antwortete, war plötzlich ernst.
    »Ich finde Sie sehr neugierig, Monsieur Moreno.«
    »Sie interessieren mich.«
    »Wirklich? Ich dachte, Sie interessieren sich eher für Blanche .«
    Schon wieder! Aber warum sahen sie nur alle die Wahrheit?
    »Für Blanche? Was für eine Idee!«
    Sie schmollte, beugte sich vor und betrachtete ihn aufmerksam.
    »Kleiner Schmeichler, Sie .«
    Er hielt ihrem Blick stand. Sie lehnte sich seufzend zurück.
    »Paul hatte ein Abenteuer mit Clotilde Osmond«, platze sie plötzlich heraus.
    Clotilde mit der roten Nase? Merkwürdige Idee. Sie hatten alle wirklich nichts Besseres zu tun, als sich gegenseitig in ihren Oleanderbeeten aufs Kreuz zu legen. Er hüstelte.
    »Ich verstehe, das muss sehr verwirrend gewesen sein . weil Madame Osmond . nun, ich meine .«
    »Sie ist hässlich, sagen Sie es ruhig, tun Sie sich keinen Zwang an. Clotilde ist hässlich, sie hat eine Clownnase, ist dick und schlecht gebaut. Und genau das hat mich deprimiert. Warum hat er mich mit diesem anglikanischen Putzlumpen betrogen?«
    »Haben Sie eine Antwort darauf bekommen?«
    »Nein, das hat er mir nie sagen können. Offenbar war die Unterhaltung mit ihr interessanter als mit mir. Oder sie kannte ihr Kamasutra besser.«
    »Das würde mich wundern«, bemerkte Chib mit einem betörenden Lächeln und versuchte sich vorzustellen, wie man Clotilde Osmond begehren konnte. »Auf alle Fälle verstehe ich, dass es ein Schock für Sie war.«
    »Es war nicht das erste Mal, dass Paul . Er war immer ein Schürzenjäger … Er ist eben ein Mann, nicht wahr, ich nehme an, ihr könnt nicht anders … das Verlangen zu verführen … zu dominieren .«
    Diese Manie, die sie hatte, alles unwiderruflich in Kategorien einzuteilen. Eine Anhängerin vorgefertigter Etiketten. Und der gute alte Paul mit seinem kleinen Bauch und seinem schütteren Haar ein Blitz im Krieg der Geschlechter? Du kommst wirklich nicht mehr mit, mein guter alter Chib!
    Jetzt, da sie einmal angefangen hatte, redete Noemie weiter, sie schien schon etwas beschwipst und befeuchtete pausenlos ihre Lippen mit der rosigen Zungenspitze.
    »Ich weiß nicht, warum mich das so sehr getroffen hat. Mindestens drei Sitzungen lang habe ich beim Psychiater geweint, nur geweint. Es ist furchtbar, wenn man sich so weinen hört, ohne erklären zu können, warum. Ich versuche, mich fit zu halten, ich mache Gymnastik, spiele Tennis, achte auf meine Ernährung, ich lasse mich nicht gehen, will nicht so werden wie Clotilde Osmond und . Für wie alt schätzen Sie mich?«
    Die tödliche Frage. Der geringste Irrtum und ab auf den Richtblock! Chib brach kurz der Schweiß aus. Jedes Zögern galt als Verrat.
    »Achtundvierzig?«
    »Wie süß! Ich bekomme bald die Seniorenkarte, mein kleiner Moreno!« »Das ist unmöglich!«
    »Sie sind ein Schatz, wissen Sie. Geben Sie mir etwas zu trinken.«
    Er schenkte ihr einen kleinen Schluck ein, aber sie bedeutete ihm, mehr einzugießen. Bald würde sie betrunken sein. Hoffentlich machte sie ihm keine Avancen. Sie lächelte ihn an, die kleine, spitze Zunge zwischen den Lippen, ein Auge schelmisch zusammengekiffen.
    »Weiß John Osmond Bescheid?«, fragte er, um sie auf den rechten Weg des ernsthaften Gesprächs zurückzubringen.
    »Es ist ihm egal. Er träumt nur davon, die sanfte Blanche zu verführen.«
    »Aber hat er es erfahren?«, beharrte Chib, bemüht, die möglichen Motive eines jeden zu entwirren.
    »Wenn Sie es genau wissen wollen, ich habe es ihm gesagt. Ich habe bei ihm geklingelt, ihm einen Strauß Rosen überreicht, die ich im Garten geschnitten hatte, und gesagt: John, wissen Sie, dass man uns Hörner aufsetzt?< Er hat die Rosen in eine grauenvolle Vase in Form eines Delphins gestellt und mir Tee angeboten.«
    »Und?«
    »Wir haben zusammen Tee getranken.«
    »Er hat nichts gesagt?«
    »Doch, er fand ihn

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