Schneller als das Licht (Orion 11)
...
Der Flugschreiber tickte unablässig. Er hatte bis jetzt jede Phase des Fluges exakt und unbestechlich aufgezeichnet, und er würde auch den Rest des Fluges miterleben und elektronisch festhalten, in einem Strom dauernder Informationen.
*
Raummarschall Wamsler schlief. Nach einem arbeitsreichen Tag, nach endlosen Besprechungen, die überlagert waren von der Sorge um das Schiff und um die Mannschaft, nach einem leichten Abendessen, das eigentlich schon fast wieder ein Frühstück war, kam der Marschall endlich dazu, auszuspannen. Er lag im Bett, in seiner geräumigen Wohnung auf Groote Eylandt, und er befand sich in dem behaglichen Zwischenreich, das sich zwischen Wachen und Schlaf erstreckte. Er ließ die Ereignisse des Tages an sich vorüberziehen.
Plötzlich wurde er durstig.
Er schlug die Decke zurück, stand auf und ging durch die halbe Dunkelheit hinüber in die vollautomatische Küche. Er holte sich ein großes Glas voll Fruchtsaft, kehrte ins Schlafzimmer zurück und blieb am geöffneten Panoramafenster stehen. Vor ihm lag der Horizont, über ihm sah er die Sterne. Der Mond war bereits hinter dem gegenüberliegenden Ufer verschwunden. Wamsler schwieg und betrachtete die Sternbilder. Irgendwo dort draußen bewegte sich jetzt die AZTRAN, und in ihr waren fünf der besten Leute gefangen, die er je gekannt hatte. Er nahm einen großen Schluck und setzte sich auf die Brüstung unterhalb des Fensters, lehnte sich an den Rahmen. Die Nacht war warm, und er schlang einen Knoten in den Gürtel des Schlafmantels.
»Zum Teufel«, sagte er leise zu sich selbst. »Die Sterne. Jedes Jahr fressen sie Männer und Schiffe. Und immer mehr beweisen sie, daß von ihnen die Gefahren kommen.«
In einer der wenigen Gelegenheiten, die ihm Zeit zum Nachdenken ließen, sah er die Aktionen der letzten Jahre vor sich. Die Extraterrestrier, die Sonne, die sich auf die Erde zubewegte, die Drohung des tödlichen Staubes und des wahnsinnigen Propheten ... und jetzt der erwartete Totalverlust der AZTRAN.
Einige Sterne flimmerten. Es war wie ein Ruf.
Ruf?
Irgendwie setzte sich dieser Begriff in seinem Verstand fest. Ihn rief jemand. Etwas, das dort zwischen den Sternen wartete, schien ihm in Gedanken eine Hand zu reichen. Streichelte sie oder hatte sie stählerne Krallen? Er setzte das Glas ab und fragte sich, ob das Schicksal der Crew ihn so stark beschäftigte, daß er begann, Phantome zu konstruieren.
Der Ruf wurde stärker.
Es geschah etwas mit seinem Verstand. Es schien ihm in den ersten Sekunden – jene, an die er sich sein ganzes Leben lang erinnern würde –, als ob eine fremde Macht seinen Verstand verdrängte, komprimierte, zusammendrückte und in eine unwichtige Ecke des Hirns schob.
Marschall Wamsler setzte sich steil auf, blickte die Sterne an und spürte die Kälteschauer, die über seine Haut jagten und von Hitzewellen abgelöst wurden. Jetzt spürte er mit einem letzten Rest von Vernunft, wie er langsam verändert wurde. Von innen heraus. Dann spürte er nichts mehr.
Er wurde besinnungslos.
Er konnte nicht sagen, ob es eine halbe Sekunde oder eine halbe Stunde gedauert hatte. Das, was noch vor kurzer Zeit Marschall Wamsler gewesen war, schien nicht mehr zu existieren. Etwas hatte sich des Körpers bemächtigt und kontrollierte jeden Nerv. Die Übernahme durch eine fremde Intelligenz war lautlos vonstatten gegangen.
»Wamsler« erhob sich von dem Sims, ging in sein Schlafzimmer und zog sich um. Er legte die schwarze Uniform an, steckte die wichtige Identifikationsplakette an die Brust und blickte sich suchend um. Er fand in einem Fach des Schrankes die tödliche Waffe, von der er annahm, daß er sie brauchen konnte.
Dann verließ er das Haus.
Aber er sah nur so aus: Wamsler existierte nicht mehr. Oder doch?
Der schwarze Dienstwagen der T.R.A.V. wartete neben dem Tor des kleinen Parks. Wamsler stieg ein, aktivierte die Turbine, schaltete die Scheinwerfer an und fuhr los.
Er war die beste Marionette, die es je gegeben hatte.
*
Der Fremde hatte den einsamen Mann am Fenster gesehen und hatte sich seines Verstandes bemächtigt. Die Übernahme, das Austauschen beider Intelligenzen, geschah schnell und schmerzlos. Nach dem ersten, tastenden Versuch schlich sich der Fremde in Wamslers Verstand, verdrängte das Ich des Mannes und kontrollierte den neuen, herrlichen Körper. Das, was noch von Wamsler übrig war, schlief versteckt und wurde nur dann benötigt, wenn Informationen abgerufen werden
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