Schneller als das Licht (Orion 11)
Atan und Helga saßen noch in der Kommandokanzel. Cliff sah in die Gesichter und wußte, daß er sich auch auf diesem Einsatz auf seine Leute verlassen konnte. Er hatte, obwohl zwölf Kilometer von ihnen das fremde Schiff stand, ein relativ gutes Gefühl.
»Ich übernehme die erste Wache!« sagte er. »Ich lasse mich in acht Stunden ablösen. Einverstanden?«
Niemand hatte einen Einwand.
Dann war der Kommandant allein in der Zentrale. Er nahm seine Lieblingshaltung ein und merkte mit einer gewissen Freude, daß der schwere Sessel leichter zu handhaben war als sein Vorgänger in der ORION. Cliff versuchte, in das Chaos von Gedanken, Überlegungen, Beobachtungen und halben Wahrscheinlichkeiten Ordnung zu bringen.
Schließlich, nach einigen Stunden, wußte er, daß es klappen würde.
Sein Optimismus hatte gesiegt.
*
Mario und Hasso arbeiteten wie die Besessenen. Cliff und Atan, soweit sie etwas von der Materie verstanden, halfen ihnen dabei, und Helga hielt einen Satz von vergrößernden Objektiven auf die Stelle des Waldes gerichtet, hinter dessen Bäumen das spindelförmige Schiff der Fremden lauerte.
Nichts geschah.
Leitungen wurden neu verlegt, Sicherungen wurden eingebaut, und alle diejenigen Teile der Garrard-Maschine, die ausgefallen waren, wurden unter den Händen der vier Männer verstärkt und sicherer gemacht. Stunde um Stunde verging. Das Unterschiff und der Maschinenraum sahen aus wie ein technisches Schlachtfeld: Drähte, Kondensatoren, Verpackungsmaterial und Abfälle lagen herum und stapelten sich. Schließlich, als Cliff zum wiederholten Male vergeblich versucht hatte, Ordnung zu schaffen, warf er sämtlichen Abfall in die Notschleuse und zog, nachdem er die Innentür geschlossen hatte, den Hebel.
Ein riesiger Haufen lag plötzlich unten in dem Sand.
»Klar Schiff, Kommandant?« grinste Mario und wischte sich die schwarzen Hände ab.
»Ordnung, Schwester der Gründlichkeit!« konterte Cliff. »Gilt selbst in Testschiffen.«
Sie arbeiteten, überlegten, zogen die Schaltpläne zu Rate, schraubten, schweißten und klemmten ab.
Stunden vergingen ...
Und dann, genau neunundvierzig Stunden nach der Landung auf Tjader II, war die AZTRAN Beta wieder startklar. Cliff beförderte mit Helgas Hilfe eine zweite Ladung von Abfällen hinunter in den Sand.
Cliff stand neben Hasso im Maschinenraum.
»Hasso«, sagte er mit ungewöhnlichem Ernst in der Stimme, »ich muß dich bitten, mich zu entlasten. Du weißt besser als ich, wie schnell wir diesen Diskus beschleunigen können. Versuche, einen zweiten Zusammenbruch zu verhindern. Du weißt, was auf dem Spiel steht.«
Hasso nickte.
Vor ihm begannen die Lämpchen aufzuleuchten. Er schaltete und verglich, beobachtete die Anzeigen und einen dicken Farbpunkt, der auf einer Skala entlangkroch.
»Du wirst die AZTRAN starten und ausrichten, und ich kümmere mich um die Geschwindigkeit, Cliff«, sagte Hasso. »Einverstanden?«
Oberst McLane nickte zufrieden.
»Ausgezeichnet. Ich gehe jetzt nach oben und leite die Manöver ein.«
»Gut.«
Der Diskus, fünfzig Meter durchmessend, schwebte unbeweglich über der flirrenden Sandfläche. Dann erhob er sich, ruhig und völlig waagrecht, schwebte höher und höher, kippte dann entgegengesetzt zur Flugrichtung ab und schnitt durch die Lufthülle. Die AZTRAN ließ hinter sich die Sandwüste und den Wald von Tjader II mit dem Schiff der Fremden. Dann verdunkelten sich die Bilder auf den Schirmen. Atan Shubashi machte seine astrogatorischen Bestimmungen, und der Zielstern, Epsilon im Löwen, rückte in das Zielkreuz des Zentralschirms. Die AZTRAN beschleunigte unaufhörlich, aber mit geringeren Werten als beim Start. Dennoch war sie in kürzerer Zeit in dem Zustand zwischen Normalraum und Hyperraum. Die Belastungsfähigkeit und die Kapazität beider Maschinen war erhöht worden.
Der Testflug ging weiter.
»Ich weiß nur eines bestimmt«, sagte Cliff, während er den Knopf der Bordsprechanlage hineindrückte. »In ungefähr zwanzig bis dreißig Stunden sind wir in Erdnähe. Und dann wird ein Kampf beginnen. Wie er verläuft und endet, weiß niemand.«
Er ließ den Knopf los.
Abgeschnitten vom Hyperraum, abgeschnitten auch vom normalen Kontinuum, nicht sichtbar auf Radarschirmen und nicht erreichbar für Funksprüche aller Art, nur den sich steigernden Farberscheinungen auf den Schirmen ausgeliefert, in einem eigenen raumenergetischen Feld, raste das Testschiff dem Ziel entgegen.
Schneller, schneller
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