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Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet

Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet

Titel: Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lehmacher
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Reißen scheint sich durch die Luft zu ziehen. Der zischende Ton will nicht so ganz zu ihrem Äußeren passen. »Das überlassen Sie mal uns.« Sie öffnet eine der hinteren Türen. Eine jüngere Frau, fast noch ein Mädchen, vielleicht gerade mal volljährig, steigt ebenfalls aus. Vermutlich ihre Tochter. Diese hält sich mit schmerzverzerrtem Gesicht ihren Arm.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, frage ich und gehe auf die beiden zu.
    »Pffff«, höre ich Martin in meinem Rücken.
    Ohne Antwort zu geben, geht die Dame mit ihrer Tochter durch die Schiebetür und führt sie Richtung Aufnahmekabinen.
    »Sie sollten sich zuerst dort vorn anmelden!«, rufe ich ihnen hinterher.
    Die Dame dreht sich um. »Sind Sie Arzt oder Sanitäter?«
    »Sanitäter«, sage ich.
    »Sehen Sie: Und wir wollen einen Arzt sprechen.«
    Unbeirrt setzt sie ihren Weg fort. Ich stehe einen Moment lang perplex da.
    Zur Entschädigung ein Kakao , beschließe ich, und gebe David und Martin ein Zeichen, dass ich mal kurz reingehe.
    Was kurz darauf aus dem Getränkeautomaten rauskommt, ist jedoch nicht viel mehr als trübes, leicht eingefärbtes heißes Wasser. Na, super!
    Ich gehe zu dem nächsten Anmeldeschalter, hinter dem eine Dame mit sommersprossigem Gesicht sitzt.
    »Ihr solltet einen Zettel an den Automaten hängen, da kommt nur noch heißes Wasser raus«, sage ich.
    »Ach, schon wieder, das ist in der letzten Zeit fast jeden Sonntag so«, sagt sie und reicht mir ein weißes Blatt Papier, einen schwarzen Filzstift und eine Rolle Tesafilm.
    »Achtung!!!
    Kakao ist LEER ,
    es kommt nur
    heißes Wasser .«
    Ich umrahme mein Schild und klebe es neben den Münzeinwurf. Noch ein kurzer Smalltalk mit der Dame am Schalter, dann gehe ich zurück Richtung Fahrzeughalle.
    Max ist hoffentlich noch nicht am Auto. Der ist eigentlich unkompliziert, einer von denen, der mit uns Sanis per Du ist, wenn aber andere Ärzte dabei sind, kann es schon mal passieren, dass er uns schlichtweg übersieht. Aber mit ihm unterwegs zu sein ist okay, und es ergeben sich gute Gespräche. Er ist ein angenehmer Typ und vor allem ein guter Notarzt.
    Noch bevor ich die Fahrzeughalle erreicht habe, stellt sich mir die Dame mit ihrer Tochter in den Weg und fragt: »Wo ist denn nun die Anmeldung?«
    Ich will mir den Spaß erst verkneifen, aber dann platzt die Bemerkung auch schon aus mir heraus. »Schauen Sie doch mal da drüben. Das ist sicher ein Arzt. Der kann Ihnen das viel kompetenter erklären.«
    Sie schaut mich groß an.
    Dann deute ich doch noch mit dem Kopf auf das große Schild über der Anmeldung ein paar Meter weiter.
    Noch bevor sie sich hätte bedanken können, pfeift mein Melder, und ich eile im Laufschritt in die Fahrzeughalle zurück. Vor dem NEF steht Max. Wir haben einen Notfall:
    Fieberkrampf bei einem Kleinkind.
    Der Einsatzort gehört eigentlich nicht mehr zu unserem Gebiet, Max liest die Karte, ich fahre schon mal in die ungefähre Richtung. »Da …« Max zeigt auf ein Gebäude, das im nächsten Moment schon wieder hinter uns liegt. »Da hab ich als Student mal gejobbt. War eine schöne Zeit. Die hatten ein nettes Betriebsklima. Aber die Firma war dann pleite, ist inzwischen übernommen worden.«
    »Aha. Haben sie dir zu viel bezahlt, oder hast du zu schlecht gearbeitet?«
    »Sicherlich beides«, antwortet er und lacht über meinen frechen Kommentar.
    Kurz darauf müssten wir meinem Gefühl nach da sein, befinden uns aber immer noch irgendwo in einer Gegend zwischen Fabrikgebäuden und Lagerhallen. Und die Hausnummer 6a, die wir suchen, gibt es in der Straße nicht.
    »Fahr da noch mal etwas weiter.« Max zeigt auf den Weg vor uns, ein Stück Straße, das auf eine Kuppe zuführt. »Ich meine, dass ein Stück weiter noch einmal Wohnhäuser stehen. Die Straße führt da in den eigentlichen Ort, das hier ist ja nur das Gewerbegebiet.«
    Tatsächlich, wenig weiter stehen noch ein paar ältere Mehrfamilienhäuser. Und dann sehen wir auch schon einen Rettungswagen unter einer Straßenlaterne stehen und brauchen keine Hausnummer mehr zu suchen.
    Ich schnappe mir beim Aussteigen noch die Schreibmappe und vorsichtshalber den Kindernotfallkoffer.
    Die Namensschilder neben den Klingeln liegen im Dunkeln: Das Licht im Eingang ist wohl kaputt. Meine neue Minitaschenlampe, die ich wenige Tage zuvor geschenkt bekommen habe, ist zum ersten Mal im Einsatz.
    »Im zweiten Stock«, höre ich eine Stimme aus der Sprechanlage, dann ein summendes Geräusch, und wir machen uns auf den

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