Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet
zu ihrem Rettungswagen bringen. Vielleicht ein kurzes Gefühl von verzweifelter Wut, die mich streift, aber dann ist da nur wieder diese Kraftlosigkeit und Müdigkeit, die die Gedanken durchdringt. Der Notarzt und ein Polizist steigen mit ihm in den Wagen. Mo … Hat er in meine Richtung geschaut?
Ich denke nichts. Nur langsam geht es mir etwas besser. Ich stehe auf, suche unseren Notfallkoffer. Ein Feuerwehrmann kommt auf mich zu. »Suchst du den Koffer? Der ist schon wieder bei euch im Auto.«
»Du kannst nichts machen. Manchmal kannst du einfach nichts machen«, sagt Sebastian, als ich kurz darauf neben ihm in unserem Rettungswagen sitze. Er redet und redet, ich höre ihm nicht zu, versuche eher Andreas’ Schweigen zu folgen. Er schaut ins Leere, als ich mich zu ihm umdrehe.
»Für uns ein Blinder«, meldet Sebastian der Leitstelle, während er langsam losrollt, Richtung Wache.
Er hat recht: blinder Alarm.
Wir haben nichts mehr tun können.
Ich denke an das kleine Pusteblumenschirmchen.
»Ich bin einmal mitgeflogen«, habe ich Connys Stimme auf einmal im Ohr. So deutlich, dass ich fast das Gefühl habe, sie muss hier neben mir sitzen.
»Du fühlst dich so frei … Das gibt es in keinem Flugzeug. Du fliegst einfach so durch die Luft. Und fühlst den Luftstrom, der dich trägt, in deinem Gesicht. – Und überhaupt, anderswo kann dir ja auch etwas passieren.«
Ein verregneter erster Mai
E s ist Mitternacht. Die Fahrzeughalle vor der Notaufnahme: Dicht an dicht stehen hier die Rettungswagen in dieser Nacht vor dem ersten Mai. Die meisten Seitenfenster der Fahrzeuge sind halb heruntergelassen, es ist noch warm an diesem Abend, unerwartet sommerliche Temperaturen. Ich stehe mit David vor dem RTW , auf dem er und Martin Dienst haben, und helfe ihm, die Trage frisch zu beziehen. Während er ein neues Laken besorgt, fällt mein Blick auf die Armada der mit Leuchtstreifen dekorierten Blechkästen auf der gegenüberliegenden Seite, die sich ein Stück weit entfernt von meinem NEF , einem VW Passat, dem ersten Notarzteinsatzfahrzeug unserer Wache, aufgebaut haben. Die Hecktüren der Rettungsfahrzeuge stehen offen und geben den Blick in die Patientenräume frei, in denen kurz davor noch Menschen in das Licht der Neonlampen über sich geschaut und gehofft haben, dass die, die sich über sie beugen, das Beste für sie tun.
In eine gerade erst freigewordene Lücke drängt sich schon wieder ein ankommendes Fahrzeug hinein, rangiert rückwärts in den knappen Raum. Für den nächsten RTW , der hereingerollt kommt, ist kein Platz mehr frei. Kurzerhand stoppt der Fahrer im Wendebereich, noch bevor er ganz zum Stillstand gekommen ist, springt ein Kollege schon heraus, um die hintere Tür zu öffnen. Ein Mann, dessen Rückenschild die Aufschrift »Notarzt« trägt, sowie die beiden Sanitäter eilen mit einer hochschwangeren, laut stöhnenden Patientin an David und mir vorbei.
»Auweia, die haben’s eilig«, sagt David, als die vier auf den Eingang der Notaufnahme zugehen. Langsam nimmt David ein wenig vom bayerischen Dialekt an, auch wenn man immer noch hört, dass er aus dem Norden kommt, sobald er nur einen Satz beginnt. Unsere Blicke folgen den vieren bis zur Schiebetür. Als sie aufgeht, erscheint auch Martin, der diesem eiligen Einsatz gerade noch ausweichen kann, nur den Kakaobecher in seiner rechten Hand muss er dabei spektakulär balancieren, damit nichts überschwappt. Selbst schuld, wenn man in derselben Hand unbedingt auch noch eine Zigarette halten muss , denke ich.
Martin stellt sich zu uns, und wir unterhalten uns über die ältere Frau, die wir gerade eben in die Klinik gebracht haben. Sie war in ihrer Wohnung zusammengebrochen und gestürzt. Zu ihrem Glück hörte eine Nachbarin das Klirren eines Blumentopfes, den sie beim Fallen umgerissen hatte. Diese Nachbarin hatte auch einen Schlüssel zur Wohnung und schaute gleich nach, was passiert war. Warum die Frau gefallen war, hatte Max, unser Notarzt, vor Ort nicht gänzlich klären können: Vielleicht war es ihr schlechter Kreislauf, vielleicht lag es auch an ihren schlechten Augen.
»Hey, hier dürfen Sie nicht halten!«, ruft Martin mitten im Gespräch, als ein Pkw nahe dem Eingang zur Wartehalle stoppt. Das »Hey« ist ein wenig zu laut, die Stimme nicht nur vom Rauchen so rau. Martin fühlt sich mal wieder zuständig.
Aus dem Auto steigt eine etwa fünfzigjährige Dame in cremefarbenem Kostüm. Eine Spannung wie unsichtbare Fäden kurz vor dem
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