Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet
unten im Haus verschwunden ist, sehe ich auch den Notarztwagen anhalten. Der Arzt, der aussteigt, ist mir nicht mit Namen bekannt, aber ich habe ihn schon einmal gesehen. Einen weißen Vollbart tragen nicht viele. Den Notarztsani kenne ich von einer Fortbildung, die ich vor einigen Monaten besucht habe. Sein Name will mir aber nicht einfallen.
»Hallo miteinand«, grüßt der Feuerwehrmann, als er die letzten Stufen zu uns heraufsteigt. Gleichzeitig öffnet sich die Wohnungstür neben der Wohnung von Frau Maier. Eine junge Frau schaut heraus, leicht verschlafen, aber freundlich. »Was ist …«, beginnt sie und schaut uns groß an. »Was ist denn los?«
Statt eine Antwort zu bekommen, stellt ihr der Polizeibeamte eine Gegenfrage.
»Kennen Sie die alte Dame, die hier wohnt?«
Die junge Frau schüttelt den Kopf.
Wir lassen den Feuerwehrmann zur Tür vor, wo er seinen Werkzeugkoffer abstellt.
Gleich wird er die Tür aufhebeln, das Holz der Tür und des Rahmens wird wegsplittern, und mit einem mehr oder weniger lauten Krachen wird die Tür aufspringen , geht es mir durch den Kopf.
»Wissen Sie, ich wohne erst seit zwei Monaten hier. Ich kenne noch kaum jemanden«, erklärt die junge Frau dem Polizisten. Sie bleibt in der halb offenen Tür stehen. Dann schauen alle gebannt der Türöffnung zu.
Entgegen meiner Erwartung splittert und kracht nichts. Geschickt hantiert der Feuerwehrmann mit ein paar Schlüsseln herum.
»Geht das nicht anders schneller?«, fragt Felix.
In dem Augenblick, in dem nun auch der Notarzt und sein Sani die letzten Stufen zu uns heraufgestiegen sind, springt die Tür auf. Cooles Timing , geht es mir durch den Kopf.
»Hoffentlich ist der nachts nicht heimlich mit dem Werkzeug unterwegs …«, sagt Felix jetzt leise und grinst mich an.
Aber sein Grinsen verschwindet im nächsten Moment hinter seiner Armbeuge. Und auch ich halte mir instinktiv die Handfläche vor die Nase. In einem warmen Schwall strömt ein leichter Verwesungsgeruch aus der Wohnung.
Nur wenige Sekunden, und alle haben sich wieder gefasst. Der Feuerwehrmann packt sein Werkzeug ein.
»So …«, sagt der Notarzt, zieht sich wie wir alle Untersuchungshandschuhe an und geht als Erster in die Wohnung. »Na, dann wollen wir mal sehen.«
Nach dem Polizisten, dem Notarzt und seinem Sanitäter betreten auch Felix und ich die Wohnung. Der Verwesungsgeruch und die Wärme in der Wohnung lassen ahnen, was wir zu sehen bekommen werden.
Wir teilen uns auf, ich gehe mit dem Notarzt und seinem Sani in Richtung einer Tür, aus der leise klassische Musik dringt, den Notfallkoffer in der Hand. Mist, der Name des Sanis will mir einfach nicht einfallen, obwohl er mich kurz mit Namen begrüßt hatte. Die Musik kommt aus einem Schlafzimmer. Ein ordentlich gemachtes, leeres Bett. Auf dem Nachttisch ein paar Bücher. Ein tragbares Radio auf einem Tischchen mit Sessel, die in einer Ecke am Fenster stehen, ist eingeschaltet, wir lassen es weiterlaufen. Ohne darüber zu sprechen, vermeiden wir alle drei, irgendetwas anzufassen, man weiß ja nie … Mit dem Klassiksender im Hintergrund ist es jedoch, als ob hier jemand zu Hause sein müsste, auch wenn es ansonsten still ist und niemand auf unser Rufen antwortet.
Ich meine sogar, dieser penetrante Geruch würde nachlassen … Haben wir Glück, und es ist alles anders, als wir vermuten?
Im Hinausgehen halte ich mit etwas Abstand meine Hand über einen Heizkörper, der doch tatsächlich ein wenig Wärme abstrahlt. Im Sommer die Schlafzimmerheizung anschalten? Wer macht das denn?
»Keine Eile mehr …!«, ruft Felix aus einem anderen Zimmer. Der Notarzt, sein Sani und ich eilen trotzdem in den Wohnraum hinüber, dessen Milchglastür jetzt weit geöffnet ist. Beim Übertreten der Schwelle verstärkt sich der furchtbare Geruch wieder, und ich muss husten.
»Ja, der Zeitpunkt des Todes ist eindeutig schon länger her. Da sind wir wohl viel zu spät«, höre ich den Notarzt.
Statt in Richtung des Körpers auf dem Sofa, vor dem auch schon der Arzt und die Kollegen von der Feuerwehr stehen, halte ich meinen Blick auf den Tisch davor gerichtet. Ein Adventskranz, oder das, was davon übrig ist, ein vertrocknetes Etwas, darum abgefallene braune Nadeln. Nur drei der vier Kerzendochte sind schwarz, die dritte Kerze ist noch unversehrt.
Jetzt ist es Ende August.
Neben dem Kranz erkenne ich ein rotes Sprühfläschchen mit einem Nitropräparat und ein Wasserglas. Letzteres ist kalkig beschlagen und leer. Der
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