Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet
Fahrzeuge, die zur Auffahrt Ost unterwegs sind: »Schauen Sie noch einmal, ob auf dem Parkplatz zwischen Ost und West etwas ist, und brechen Sie ab, falls Sie nichts sehen, wir vermuten inzwischen, dass es sich bei beiden Unfällen um ein und denselben Einsatz handelt.«
»Na prima …«, murmelt Frank. Ich ahne, was er meint. Das Problem ist weniger, dass jetzt einige der Kollegen vergeblich angefahren sind, sondern dass die zugrunde liegende Einsatzmeldung offenbar recht chaotisch war. Ich muss daran denken, als ich vor ein paar Jahren Telefondienste in der Leitstelle übernommen habe: Es rief jemand an, schrie panisch etwas ins Telefon und legte wieder auf, bevor die wichtigen Dinge geklärt waren, zum Beispiel, wo genau sich der Einsatzort befand. Dann saß ich da und musste versuchen, die Kollegen im Einsatz bestmöglich irgendwohin zu lotsen. Manchmal verhalten sich Unfallbeteiligte einfach nur hysterisch, je nachdem eine verständliche Reaktion, aber nicht sehr hilfreich. Doch möglicherweise erleben diese Menschen auch einen fürchterlichen Höllentrip, und ihre chaotische Einsatzmeldung gibt einen Vorgeschmack auf das, was uns am Einsatz erwartet.
Wir sind mittlerweile auf die Autobahnauffahrt gefahren, die meisten Autos, die wir überholen, fahren sehr vorsichtig hinter uns weiter, nicht ganz falsch, denn hinter jeder Kurve könnte der Verkehr unerwartet stehen. Nur eine dunkle Limousine überholt uns noch, als wir einmal auf die rechte Spur wechseln, ein ausländisches Kennzeichen. »Na klasse, bei denen darfst du nur 120 fahren, die haben richtig drastische Strafen – und hier lassen sie die Sau raus …«, ereifert sich Frank.
»Staut es sich da schon?«, überlege ich laut. Angestrengt versuche ich zu erkennen, was hinter der Kuppe liegt, über die wir gerade fahren. Aber der Verkehr dahinter fließt anscheinend noch.
Am Funk hören wir, dass die Kollegen, die zur Auffahrt Ost gefahren sind, auch auf dem Parkplatz nichts gefunden haben. »Sie bleiben vor Ort auf Abruf stehen, bis klar ist, ob wir Sie nicht noch bei Odelzhausen brauchen«, ordnet die Leitstellendisponentin an.
Dann, nachdem wir die nächste Ausfahrt schon weit hinter uns gelassen haben, steht der Verkehr doch plötzlich still. Obwohl ich darauf gefasst war, muss ich heftig in die Eisen steigen.
Etwas mehr als einen Kilometer vor der Ausfahrt Odelzhausen sehe ich, wie sich der Verkehr an einer Engstelle vorbeizwängt. In der schmalen Gasse, die sich vor uns gebildet hat, steht immer wieder ein Auto im Weg. Auch die schwarze Limousine, die uns überholt hatte, verstellt den Weg und schafft es kaum, den Platz freizumachen. Ein kurzer Blick in den Seitenspiegel, als ich wieder abbremsen muss: Der Notarztwagen hinter uns scheint fast an unserer Stoßstange zu kleben.
»Scheiße!« Frank schaut in Richtung der Unfallstelle. Während ich den Wagen am Rand der Fahrbahn langsam nach vorn manövriere, kann auch ich mir ein erstes Bild machen: Das Polizeiauto hat sich mittlerweile quer gestellt, die Autobahn ist gesperrt. Dahinter stehen einige Autos mit eingeschalteten Warnblinkern. Die Fahrzeuge sehen alle intakt aus. Daneben liegt ein Motorrad, etwa dreißig Meter davon entfernt an der Leitplanke liegt jemand in einer dunklen Lederkombi. Ein paar Leute stehen dabei. Jetzt sehe ich, was Frank gemeint hat: Einer kniet und hat offenbar mit der Herzdruckmassage begonnen.
Dann entdecke ich, nahe beim Motorrad, noch eine Person in einer Lederkombi, die sich auf die Leitplanke stützt. Einen Moment später stoppe ich den Wagen. Frank hat den Koffer in der Hand, noch bevor ich die Handbremse angezogen habe, dann treffen wir gleichzeitig mit dem Notarzt und seinem Sanitäter bei der Patientin ein, die am Boden liegt.
Ich befrage, so schnell es geht, die Umstehenden.
Auf meine Frage, ob sonst noch jemand verletzt sei, zucken zwei Leute unsicher mit den Schultern, eine Frau deutet auf den jungen Mann, der an der Leitplanke lehnt.
»Sonst noch jemand?«, frage ich.
»Nein«, sagt die Frau, »es war nur das Motorrad.«
Ich eile zu dem jungen Mann hinüber. Er hat seinen Helm in der Hand, seine langen Haare sind zum Pferdeschwanz zusammengebunden.
Ich fasse ihn an der Schulter. »Fehlt Ihnen etwas?«
Der junge Mann hat verweinte Augen. Er schüttelt den Kopf.
»Alles okay mit Ihnen?«
Er schaut mich fassungslos an.
»Haben Sie Schmerzen?«
Keine Antwort.
»Tut Ihnen etwas weh?«
Ich fühle seinen Puls, inspiziere seine Pupillen.
Er
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