Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet
schüttelt immer wieder bloß den Kopf.
»Claire«, sagt er dann, »Claire.«
Mit schwacher Geste zeigt er auf die Frau, die am Boden liegt.
»Ich habe das Motorrad doch nur leicht berührt, ich bin doch gar nicht richtig reingefahren«, sagt auf einmal jemand hinter mir. Ich drehe mich um. Das fahle Gesicht einer Frau, die etwa fünfzig Jahre alt ist.
»Das … das … das kann doch nicht …, verstehen Sie, ich bin doch nur …«
Sie zittert. »Ich wollte doch nur auf die rechte Spur …, ich … ich hatte noch nie einen Unfall«, stammelt sie.
Einer der Polizisten kommt dazu.
»Cavakatheter …!«, schreit Frank in meine Richtung.
»Setzen Sie die Frau bitte irgendwo hin, und bleiben Sie bitte bei ihr, die darf nicht stehen, ich komme gleich«, sage ich zu dem Polizeibeamten, dann steige ich in den RTW und rufe in den Funkhörer.
»33/37 mit Lage: So wie es im Moment aussieht, einmal Reanimation, zweimal leicht verletzt …«
Während ich den Cavakatheter hole, einen dünnen Schlauch, der über die Vene im Hals gelegt wird und direkt zum Herzen eines Patienten führt, damit die Medikamente, die wir geben, zentral verteilt werden, höre ich noch die Leitstelle, die wissen will, ob sicher ist, dass die Krankentransportwagen reichen oder Rettungswagen für die beiden anderen Patienten benötigt werden, aber das sollen die jetzt selbst entscheiden: Ich habe zu tun.
»Lös mich mal ab«, keucht der Aichacher Notarztsani, der gerade mit der Herzdruckmassage beschäftigt ist.
Ich übernehme. Unter meinen Händen eine leblose Frau mit nassem, halblangem Haar. Im Gesicht an verschiedenen Stellen kleine herausgerissene Hautfetzen, aber es blutet nichts, obwohl durch die Herzdruckmassage doch längst wieder Blut in den Adern fließen könnte.
»Irgendwann muss noch mal jemand funken und nachhaken, was die uns jetzt noch schicken«, sage ich. »Ich hab nur kurz eine vorläufige Lage gegeben. Einmal Rea und zweimal leicht.« Einer in einer leuchtend roten Jacke, den ich noch nicht gesehen habe, steht hinter mir und wiederholt: »Einmal Rea und zweimal leicht?« Er schaut dabei in Richtung des Arztes, aber der antwortet ihm nicht, sondern schreit stattdessen Frank an. »Adrenalin, 4 Milligramm auf 10 Milliliter, funken können wir auch später noch!«
Er zieht den Führungsmandrin aus dem Cavakatheter.
Der Kollege, der sich um den Funk kümmert, verschwindet im Führerhaus unseres RTW , auf seinem Rücken sehe ich das Schild »Einsatzleiter«.
»Sollen wir …?«, fängt der Notarztsanitäter aus Aichach an.
»Los, weg da!« Der Notarzt schiebt mich ziemlich unsanft zur Seite und macht selbst für ein paar Minuten lang die Herzdruckmassage in einem schnelleren Rhythmus, als wir es gelernt haben, und auch etwas tiefer.
»Komm, Junge, Schock …!«, ruft er seinem Sani zu.
Einen Moment später lädt der Defibrillator und pfeift, als er betriebsbereit ist.
Der Arzt nimmt die Defipaddels selbst in die Hand. »Weg vom Patienten!«, ruft er.
Ein Martinshorn, wenige Meter vor mir, es peitscht mir in die Ohren, ich richte meinen Blick kurz nach hinten und sehe einen weiteren Rettungswagen, der gerade anhält.
Dann der Elektroschock des Defi, 360 kJoule, der Körper bäumt sich kurz auf.
»Na los, weitermachen!«, ordnet der Arzt an.
Frank macht jetzt die Herzdruckmassage, ich beatme über den Tubus, den der Arzt gleich zu Beginn gelegt hatte. »Sollen wir …?«, fängt der Notarztsanitäter noch einmal an. Er hat eine Schere in der Hand und deutet auf die Lederhose der Motorradkombi. Eigentlich sollte man jeden Patienten genau inspizieren und dazu die Kleidung entfernen. Aber der Notarzt winkt ab.
»Lass bloß die Hose an«, sagt er. »Schau doch mal …«
Die Hose ist rundherum prall gespannt.
»Wenn jetzt noch die Kompression von außen fehlt, hat sie noch weniger Blut im Kreislauf.«
Wir schauen auf den EKG -Monitor. Der Notarzt hebt die Hand, Frank stoppt die Herzdruckmassage. Für einen kurzen Moment sieht man ein paar Ausschläge. Fünf oder sechs Zacken, die nicht einmal aussehen wie normale EKG -Kurven, dann noch einmal ein oder zwei, unregelmäßig, dann verebben diese Ausschläge auch schon wieder.
»Weitermachen.« Die Stimme des Arztes ist leiser geworden, er dreht sich um, schaut in Richtung unseres Rettungswagens: »Los, auf geht’s. Schauen wir, dass wir hier wegkommen, wir fahren jetzt unter Reanimation rein. Das wird wohl sowieso nichts mehr, aber wenn wir überhaupt noch was wollen, dann
Weitere Kostenlose Bücher