Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet
überhaupt?«, und macht eine Handbewegung in Richtung des Patienten.
»Mein Verlobter«, sagen die drei beinahe wie aus einem Mund.
»Soso.« Das Grinsen des Beamten scheint jetzt fast breiter zu sein als sein Gesicht.
Nachdem der Notarztsanitäter die Personalien aufgenommen hat, wählt er die Nummer des Giftnotrufs und gibt den genauen Namen der Präparate durch.
»Also, die beiden Herren nehmen Sie jetzt mal mit«, sagt Dr. Framm. Er nickt mir und Felix kurz zu. »Auch wenn keine schlimme Reaktion zu befürchten ist, lassen wir Sie besser durchchecken. Auch vom Psychiater. Schon allein wegen der abstrusen Idee, sich auf einem Balkon im zwölften Stock Tabletten einzuwerfen, um sich das Leben zu nehmen.«
Der Patient nickt zustimmend.
»Nun, dann machen Sie sich mal reisefertig.«
»Wie meinen Sie das?«
»Verlangsamt Östrogen das Denken?«, flüstert Felix mir ins Ohr.
»Na, haben Sie denn vielleicht eine Hose dabei und ein Hemd, oder sind Sie in der Unterhose hierhergekommen?«, wird Dr. Framm deutlicher.
»Ach so, verstehe. Muss ich denn unbedingt mitkommen?«
»Harald«, mischt sich die Dame, die sich »Angie« nennt, ein, »jetzt stell dich nicht auch noch an.«
Jetzt rappelt sich der junge Mann auf. Einer der Polizisten begleitet ihn in eines der anderen Zimmer.
»Können wir mitfahren?«, fragt »Angie«.
Ich bin nun doch etwas überrascht.
Felix schüttelt schon den Kopf.
»Na ja, alle drei nicht«, sage ich. »Eine von Ihnen schon, wenn Sie möchten – und es dem Patienten recht ist.«
»Angie« verständigt sich mit ihren Kolleginnen und eilt nun ebenfalls in eines der anderen Zimmer. Ungeschminkt und in grauer Hose mit schwarzem Pullover und kariertem Anorak über dem Arm kommt sie wieder in den Wintergarten zurück. Die Kreolen hat sie durch kleine Ohrstecker ersetzt, über die kurzen Haare zieht sie eine dunkelrote Wollmütze, die ihre Gesichtszüge viel weicher erscheinen lässt.
Dr. Framm verabschiedet sich mit: »Da muss ich jetzt wirklich nicht mitfahren, das schafft ihr allein.«
Bevor wir mit dem Patienten und seiner Begleiterin die Wohnung verlassen, nehmen die beiden Polizisten dem jungen Mann noch den Führerschein ab. »Vorläufig. Zu Ihrer eigenen Sicherheit«, erklärt der Beamte.
Vor der Abfahrt in die Klinik streicht »Angie« dem jungen Mann wie zur Beruhigung über den Arm. Dann lassen wir sie nach vorn auf den Beifahrersitz Platz nehmen. Ich vermeide es, ein Gespräch zu beginnen. Aber als sie mich nach einer Weile fragt, wie sie denn vom Krankenhaus zurückkomme, bin ich erleichtert, dass das angespannte Schweigen ein Ende hat.
»Da fährt bestimmt ein Bus«, sage ich. »Aber welcher genau – keine Ahnung. Fragen Sie am besten in der Klinik nach. Die haben oft sogar einen Busfahrplan an der Information. Oder Sie schauen an einer Haltestelle.«
»Danke«, sagt sie höflich. »Ich kenne mich hier nicht aus.«
»Sind Sie denn neu hier in Augsburg?«
»Neu …, nein«, antwortet sie mir zögernd. »Bin schon mehr als ein Jahr hier. Aber ich komme nicht raus. Nur manchmal holt mich mein Freund ab. Wir gehen an den Kuhsee spazieren. Sonntags.«
»Ihr Freund?«, frage ich und sehe kurz zu dem Patienten nach hinten, der gedankenverloren auf seine Hände starrt.
»Nein«, sagt sie leise, »ein anderer.«
Als ich Felix auf der Fahrt zur Wache erzähle, dass die Frau bereits seit über einem Jahr in Augsburg lebt, aber weder das nahegelegene Rote Tor noch die Gögginger Eisenbahnbrücke kennt, spottet er: »Du hättest dich ja als Stadtführer anbieten können.«
Typisch Felix.
»Du Idiot«, sage ich nur kurz.
Jetzt lächelt er mich versöhnlich an.
»Hätte ich nicht gedacht, dass eine von denen so besorgt ist, dass sie noch mit ins Krankenhaus fährt.« Felix schüttelt den Kopf.
»Ja, und denk nur mal … – die Ehefrau von heute früh«, füge ich hinzu.
»Ja, da möchte man ja fast lieber solo sein.« Und dann blickt Felix plötzlich drein, als wäre ihm ein Geistesblitz gekommen. »Im Strukturvertrieb könnten diese armen Dinger ihr Geld viel leichter verdienen.«
Oh nein, nicht schon wieder!
»Du, Felix …«
»Ja?«
»Dieses Thema bitte nur mit Cat-Stevens-Begleitung.«
Jetzt lächelt Felix nicht mehr versöhnlich. Für den Rest der Strecke ist er still.
Aber seltsam: Felix so still, das ist irgendwie genauso anstrengend.
Schneller als der Tod erlaubt
M eine Güte, was ist das nur wieder für ein Drama.« Fabian neben mir stößt hörbar
Weitere Kostenlose Bücher