Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet
aufgerissen hatte. Saß bei uns im Auto und hat gleich weitergetippt, als man ihm das Handy wiedergegeben hat.«
Ich schüttle den Kopf.
»Unterarm links, Prellungen überall, Kopfplatzwunde …«, beginnt Pit aufzuzählen, als Piepsgeräusche ihn stocken lassen. »Apropos Handy …«, sagt er und zieht ein nagelneues Mobiltelefon aus der Tasche. »Hat mir Bine zum Geburtstag geschenkt.«
»Na, da bist du ja up to date … Wo war denn der Unfall?«
»Oben in der Stadt, nahe bei der Münchner Straße. Das Auto stand im Parkverbot, der Fahrer war gerade in einem Laden, hat sich Zigaretten geholt, Mann, der hat nicht schlecht geschaut, als er rauskam.«
»Parkverbot … Da darf er eigentlich nur bis zu drei Minuten stehen bleiben, oder?«
»Mh.« Pit schaut auf das Handy.
»Habt ihr den Fahrradfahrer ins Friedberger Krankenhaus gebracht?«
»Mh«, macht er wie zur Bestätigung und tippt dabei etwas in sein Handy, dann lächelt er und tippt weiter. »Mh?«, macht er dann fragend, ohne aufzuschauen.
»Habt ihr den nach Friedberg gebracht?«, frage ich noch einmal.
»Ist Bine«, erklärt er. »Sie ist gerade auf dem Weg hierher, in ein paar Minuten da, sie hat doch heute das Auto.«
»Aha, schön«, sage ich. Ob Bine wohl gerade an einer roten Ampel steht? Oder in einer Parkbucht angehalten hat, um ihre SMS zu schreiben?
Das Klingeln des Leitstellentelefons unterbricht meine Gedanken und Pits Simsen.
»Notfall in Wulfertshausen«, höre ich nur einsilbig, dann wieder das Freizeichen.
»Notfall!«, rufe ich Bernd zu, aber der kommt mir schon aus dem Büro entgegen.
Während sich das Garagentor öffnet, zieht Bernd den Stecker, der den RTW im Stand mit der nötigen Elektrizität versorgt. Ladestrom fürs EKG und den Perfusor.
»Epistaxis. Bei Wanko, Am hinteren Bach 27«, gibt die Leitstelle durch, und ich wiederhole es.
»Unstillbares Nasenbluten«, sage ich dann mehr zu mir selbst, als ich den Funkknopf losgelassen habe.
»Das ist doch diese gehobene Wohngegend in Wulfertshausen«, überlegt Bernd laut, auch mehr für sich selbst, und fährt auch schon los.
Ich stecke die Straßenkarte wieder ins Fach zurück.
Während wir aus dem Stadtgebiet hinaus und über die kurvenreiche Landstraße in Richtung Wulfertshausen fahren, fallen mir frühere Einsätze, die als Epistaxis gemeldet waren, ein: Oft waren es Lappalien, und wenn wir am Einsatzort ankamen, war die Blutung von selbst zum Stillstand gekommen. Aber einmal war der Patient ein Bluter, schon im Treppenhaus überall am Boden und am Geländer war alles verklebt und rot, und wir hatten wirklich Probleme, diese Blutung zum Stillstand zu bekommen: ein hektischer Einsatzverlauf. Und bei einem weiteren Einsatz stellte sich schließlich heraus, dass es sich nicht um Nasenbluten gehandelt hatte, sondern um eine starke gynäkologische Blutung. »Vermutlich«, wie der dazugerufene Notarzt später nach seinem ersten Eindruck meinte, »nach dem Eingriff eines ›Kurpfuschers‹«.
»Hoffentlich macht überhaupt jemand auf«, sagt Bernd.
Eine zierliche blonde Frau in einem roten Kimono öffnet uns. Schüchtern nickend lässt sie uns eintreten.
»Wo ist der Patient? Oben?«, keucht Bernd, der mit dem schweren Notfallkoffer vorausgerannt ist und deutet auf die Treppe, die von der Diele in die obere Etage führt.
Ich sehe mich um. Nirgendwo Blut. Dafür Räucherstäbchengeruch.
»Nein, im Bad«, antwortet die Frau leise und zeigt auf eine Tür, die Bernd mit einem Schritt erreicht hat. Er will sie öffnen, aber sie ist von innen versperrt.
»Machen Sie bitte auf!«, ruft Bernd.
Als nichts passiert, stellt er erst mal den Notarztkoffer ab. »Rettungsdienst!«, ruft er.
Geräusche wie von einer Dusche sind jetzt zu hören. Dann ein leises »Moment, bitte!«.
»Na, wenn es geht, dann schon ein wenig zügig«, sagt Bernd laut. Er ist sichtlich genervt. »Wir fahren hier doch nicht mit Blaulicht bis zu Ihnen vor die Haustür, um uns dann vor Ihrer Badezimmertür gemütlich die Füße zu vertreten.«
»Haben Sie eine Ahnung, wie viel Blut er verloren hat?«, frage ich die Frau, die aber nur verschämt auf den Boden blickt.
Bernd klopft noch mal heftig an die Tür. Die Dusche wird abgestellt.
»Gleich!«, ruft eine männliche Person. »Wer ist denn da?«
»Rettungsdienst!«
»Männer? Zwei Männer? «, kommt die Frage zurück.
Bernd und ich blicken uns an. ´
»Ja«, antwortet Bernd. »Ist das ein Problem?«
»Der hat doch nichts mit der Nase«, vermute
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