Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet
warm für einen der ersten Herbstabende.
»Nein, eine Verbrennung … untere Extremität.«
Am Horizont leuchten die verblassenden Kondensstreifen mehrerer Flugzeuge.
»Ja, so ähnlich, aber mehr in der Mitte …«
Bernd macht sich einen Spaß daraus, die Sache spannend zu machen.
»Ja, genau …«
Er zieht an seiner Zigarette.
»Nein, beim Pfannkuchenbacken … 01032 ist die Nummer, danke!« Dann drückt er die Zigarette aus und wirft sie in einen der blauen Aschenbecher, die vor der Notaufnahme aufgestellt sind.
»Wir können wieder!«, ruft er mir zu, und wir steigen in unseren RTW .
»33/37 ist dann im Krankenhaus Friedberg wieder frei …«, melde ich mich am Funk. »… den Namen haben Sie ja schon vom Kollegen per Telefon bekommen.«
Ich höre kurz ein Klicken am Funk, dann im Hintergrund Lachen, und erst danach die Stimme des Leitstellendisponenten, der uns nach Hause schickt.
»33/37, dann Richtung Wache, aber fahren Sie vorsichtig!«
»Warum?«, will ich wissen.
»Bei Ihnen draußen sollen angeblich die Pfannkuchen heute tief fliegen, hat mir mein Kollege gesagt …«
Bernd kichert. Ich lege den Funkhörer weg.
»Also entweder muss er das noch üben oder sich das nächste Mal vorher was anziehen.«
»Ja, ja, Bernd, da greift mal wieder das alte Sprichwort: Wer den Schaden hat …«
»Jedenfalls war’s nichts mit der Nase, Schorsch. Du hattest den richtigen Riecher.«
Alte Freunde
S eit mehr als zwei Stunden stehen Fabian und ich mit dem RTW in der Backsteingasse, eine dieser schmalen Gässchen in der Augsburger Innenstadt. Mit Kopfsteinpflaster und alten Häusern, von denen keins mehr ganz gerade steht. Gleich nach Dienstbeginn der Nachtschicht hatte uns die Leitstelle hierhergeschickt, weil mehrere Anwohner der Nordhausgasse Gasgeruch gemeldet hatten.
Eine Straße weiter ist nun die Berufsfeuerwehr zugange, im Dunkel sehe ich aber nur die fluoreszierenden Helme und Leuchtstreifen der Kollegen, die auftauchen und sich bewegen. Es ist beinahe so, als würden die Helme im Dunkeln tanzen. Wie lauter Pantomimen, die sich mit weißen Händen und Gesichtern und in schwarzen Anzügen vor einem schwarzen Vorhang bewegen. Tatsächlich messen die Kollegen der Feuerwehr gerade mit ihren Geräten den Gasaustritt – vorausgesetzt, dass wirklich Gas austritt.
Seit dem Melden beim Einsatzleiter hatten wir noch gar nichts zu tun gehabt. Dieses Warten bei einem Einsatz kann unglaublich zäh sein. Vor allem, wenn man mal keine Lust auf einen ewig dauernden Smalltalk mit den Kollegen hat. Und zur Ruhe kommt man auch nicht wirklich, wenn man jeden Moment damit rechnen muss, doch gebraucht zu werden.
»Die Konzentration liegt im Moment noch unterhalb der Explosionsgrenze«, hatte mir einer der Feuerwehrleute das Ergebnis der Messungen im Vorbeigehen mitgeteilt. Und trotzdem mussten wir dann noch aus irgendwelchen Gründen, die ich nicht kannte, zur Absicherung vor Ort bleiben.
Ich setze mich in den Wagen, in dem es angenehm warm ist – die Temperaturen draußen sind an diesem letzten Oktobertag um einiges niedriger als noch vor ein paar Tagen. Die Standheizung ist eingeschaltet und hält unseren Rettungswagen warm. Gar nicht mal, damit Fabian und ich nicht frieren, sondern damit der Patientenraum, die Geräte und vor allem die Infusionen nicht auskühlen.
»Mist, das geht nicht mehr.« Fabian hat die Fahrertür geöffnet und hält mir ein Feuerzeug entgegen.
»Hä?« Ich bin erstaunt. Zum einen, weil ich nicht mitbekommen habe, dass er sich dem Wagen genähert hat, zum anderen, weil mich das Feuerzeug hier, wo wir wegen eines Gasaustritts sind, irritiert. Und nicht zuletzt auch, weil Fabian doch einer meiner wenigen Nichtraucherkollegen war.
»Ist das kein Problem mit dem Gas?«
»Quatsch«, sagt er. »Das ist doch da drüben. Wir sind weit außerhalb des Gefahrenbereichs. Hab extra noch mal nachgefragt. Sonst bräuchtest du hier gar nicht stehen und könntest die Standheizung auch vergessen.«
Da hat er recht. »Und seit wann rauchst du?«
»Gar nicht«, sagt er, »aber Melanie hat ihres auf der Wache liegen lassen.«
Melanie lehnt lachend an einer Hauswand. Sie ist die Sanitäterin vom Augsburger Notarzteinsatzfahrzeug, und Fabian hat die Zeit genutzt, um sich angeregt mit ihr zu unterhalten.
»Tut mir leid, da kann ich dir nicht helfen.«
»Und im Handschuhfach?«, fragt er und läuft auch schon zur Beifahrerseite. Dort wird er fündig.
Wenig später sehe ich, wie er nicht nur Melanie,
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