Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet
etwas entzündet oder so.«
Der Patient seufzt. »Gut … wenn es denn unbedingt sein muss! Ich komme mit. Vermutlich ist es doch besser, mal einen Arzt nachschauen zu lassen.«
Ich reiche Bernd ein Brandwundenverbandtuch, er bedeckt die Stelle so gut es geht und fixiert sie seitlich mit zwei Klebestreifen.
»Ich brauche noch eins für den Oberschenkel …«, sagt er.
Ich halte es schon in der Hand und reiche es ihm an. Während er das zweite Brandwundenverbandtuch befestigt, bitte ich die Frau, ihrem Mann einen Schlaf- oder Trainingsanzug zu bringen. Ich fühle den Puls des Patienten und messe den Blutdruck, die Werte sind im Normbereich. Ich packe alles wieder ein und klappe den Notfallkoffer zu.
Die Frau kommt währenddessen mit einem Trainingsanzug zurück.
»Wollen Sie die Hose selbst anziehen?«, fragt Bernd.
Herr Wanko nickt.
Ich schnappe mir Koffer und Absauggerät und gehe nach draußen, wo unser Rettungswagen vor dem Gartentor steht – und ein älterer Herr.
»Ist was bei den Wankos?«, fragt er mich.
»Mh. Sie sind der Nachbar?«, weiche ich mit einer Gegenfrage aus.
»Ja«, sagt der Mann.
»Na ja, schauen Sie, es ist so: Ich darf Ihnen nichts sagen.«
»Ja«, nickt mir der Herr zu. Und dann: »Er – oder sie?«
Ich schüttle den Kopf. »Bitte verstehen Sie …«, sage ich, während ich die Tür des Rettungswagens öffne, »aber ich darf nicht.«
»Oje, bestimmt ist was mit ihm«, fährt er fort, »er ist so ein feiner Kerl, ein netter Nachbar, technisch so begabt, aber er übernimmt sich immer mit allem.«
Technisch so begabt … – Ich denke an seine Pfannkuchenbäckerei. Um nicht laut zu lachen, blicke ich bewusst ernst drein.
»Ach Gott«, der Nachbar lässt mir keine Ruhe, »bestimmt ist es etwas sehr Schlimmes …, ich sehe es an Ihrem Gesichtsausdruck. So wie Sie mich gerade angesehen haben.«
»Na«, sage ich, »nun beruhigen Sie sich mal.«
Ich gehe wieder ins Haus, der Mann geht mir ein paar Schritte nach und jammert: »Es passiert so viel Schlimmes in der letzten Zeit.«
»Ihr Nachbar macht sich Sorgen um Sie«, sage ich den beiden, als ich wieder im Haus bin. »Er möchte wissen, was Ihnen fehlt. Natürlich habe ich ihm gesagt, dass ich keine Auskunft geben kann, aber das hat ihn nur zusätzlich beunruhigt. Und da wir gleich da rausmüssen und irgendwie an ihm vorbei …?«
Frau und Herr Wanko schauen sich an.
»Na ja«, gebe ich den beiden einen Tipp, »nach Nasenbluten sieht es nicht aus, aber so ein kleines Kreislaufproblem könnte jeder mal haben.«
Keine drei Minuten später ist Frau Wanko angezogen und hat sich auch den Lippenstift abgeschminkt.
»Ich geh schon mal raus und rede mit dem Nachbarn«, sagt sie. Herr Wanko steht auf, und Bernd will ihn leicht unterhaken.
»Geht schon«, sagt der Hausherr verwundert, »ich kann selbst gehen.«
»Na ja, mit Ihrem Kreislaufproblem sollten wir Sie schon ein wenig stützen«, sagt Bernd und lacht.
Herr Wanko hält ihm den Arm hin.
Eine halbe Stunde später liegt unser Patient auf einer Liege in der Notaufnahme, und ein Pfleger sieht sich die gerötete Stelle an.
Gerade als wir unsere leere Trage aus dem Raum schieben und gehen wollen, kommt die diensthabende Ärztin herein. Unser Patient reißt einigermaßen entsetzt die Augen auf.
»Du?«
»Ja, Mensch, Jürgen! Du machst ja Sachen. Was führt dich denn hierher?«
Herr Wanko dreht sich zu mir um und schielt dabei in Richtung der Ärztin: »Ich kenne ihren Mann gut.«
»Ja, die Welt ist klein …«, sage ich, weil mir nichts Besseres einfällt, dann verabschieden wir uns noch einmal, und ich schiebe Bernd vor mir aus dem Raum heraus.
Draußen vor der Notaufnahme nimmt Bernd sein Handy. »Die Diagnose gebe ich mal per Telefon durch.«
Er zündet sich eine Zigarette an und wählt die Nummer der Leitstelle, die zur Vervollständigung der Daten noch den kompletten Namen des Patienten und eine Arbeitsdiagnose braucht. Vorher bekommen wir auch keine Einsatznummer herausgegeben.
»Hi«, meldet er sich, »ich bin’s, der Bernd vom 33/37. Ich wollte euch den Namen geben … Ja … Bist du schreibklar …? Also der Vorname ist Jürgen, den Nachnamen habt ihr ja schon.«
Zwei der Nachtschwestern gehen vorbei, die bald Dienstbeginn haben. Die Sonne steht schon tief am Horizont. Ich vertrete mir an der frischen Luft ein wenig die Beine.
»Nein, kein Epistaxis …«, höre ich Bernd sagen.
Es ist Mitte September, das Laub beginnt sich zu verfärben, aber es ist noch
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