Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)
überprüfen.
Sie hatten recht. Unabhängig davon, ob der Putt leicht oder schwer war, waren die Spieler in jeder Entfernung vom Loch erfolgreicher, wenn sie für ein Par, nicht für einen Birdie putteten. Die Differenz in ihren Erfolgsquoten, je nachdem, ob sie es auf ein Par (um einen Bogey zu vermeiden) oder auf einen Birdie abgesehen hatten, betrug 3,6 Prozent. Diese Differenz ist nicht trivial. Tiger Woods war einer der »Teilnehmer« ihrer Studie. Wenn es Tiger Woods in seinen besten Jahren gelungen wäre, genauso gut für Birdies wie für Par zu putten, hätten sich sein durchschnittlicher Turnier-Score um einen Schlag und sein Verdienst um fast eine Million Dollar pro Saison verbessert. Diese Profis, die sich einem erbitterten Wettbewerb stellen müssen, treffen gewiss nicht die bewusste Entscheidung, bei Birdie-Putts nachzulassen, aber ihre starke Aversion gegen einen Bogey trägt scheinbar zu einer zusätzlichen Konzentration auf die anstehende Aufgabe bei.
Die Erforschung von Putts verdeutlicht, dass ein theoretisches Konzept als Denkhilfe sehr leistungsfähig sein kann. Wer hätte gedacht, dass es sich lohnen würde, monatelang Par- und Birdie-Putts zu analysieren? Das Konzept der
Verlustaversion, das vielleicht bis auf einige Ökonomen niemanden überrascht, erzeugte eine präzise und nicht intuitive Hypothese und führte Forscher zu einer Entdeckung, die alle überraschte – Profigolfer eingeschlossen.
Das Rechtswesen und die Verlustaversion
In dem Jahr, in dem wir in Vancouver zusammenarbeiteten, wandten sich Richard Thaler, Jack Knetsch und ich der Erforschung der Fairness ökonomischer Transaktionen zu, zum Teil weil uns dieses Thema interessierte, aber auch weil wir eine Gelegenheit und eine Verpflichtung hatten, jede Woche einen neuen Fragebogen zu entwerfen. Das kanadische Fischereiministerium finanzierte ein Programm für arbeitslose Akademiker in Toronto, die dafür bezahlt wurden, telefonische Umfragen durchzuführen. Das große Team von Interviewern arbeitete jeden Abend, und ständig wurden neue Fragen benötigt, um die Operation am Laufen zu halten. Auf Vermittlung von Jack Knetsch erklärten wir uns
bereit, jede Woche einen Fragebogen in vier farbcodierten Versionen abzuliefern. Wir konnten nach allem fragen; die einzige Einschränkung war, dass der Fragebogen mindestens eine Frage nach Fischen enthalten sollte, um einen sachlichen Bezug zum Auftrag des Ministeriums herzustellen. Dieses Projekt lief über viele Monate, und in dieser Zeit erhoben wir eine Unmenge von Daten.
Wir studierten öffentliche Wahrnehmungen dessen, was als unfaires Verhalten von Einzelhändlern, Arbeitgebern und Vermietern angesehen wurde. 13 Unsere übergeordnete Frage lautete, ob die mit unfairem Verhalten verbundene soziale Schmach dem Profitstreben gewisse Schranken auferlegt. Wir fanden heraus, dass dies der Fall ist. Wir fanden auch heraus, dass die moralischen Regeln, nach denen die Befragten beurteilten, was Firmen tun oder nicht tun sollten, einen ausschlaggebenden Unterschied zwischen Verlusten und Gewinnen machen. Das Grundprinzip lautet, dass der aktuelle Lohn, Preis oder Mietzins einen Referenzpunkt festsetzt, der seinem Wesen nach ein Anspruch ist, der nicht angetastet werden darf. Es gilt als unfair, wenn ein Unternehmen seinen Kunden oder Mitarbeitern in Bezug auf die Referenztransaktion Verluste aufbürdet, es sei denn, es ist zur Wahrung seiner eigenen Ansprüche dazu gezwungen. Betrachten Sie dieses Beispiel:
Ein Baumarkt hat Schneeschaufeln für 15 Dollar verkauft. Am Morgen nach einem schweren Schneesturm erhöht der Baumarkt den Preis auf 20 Dollar.
Bitte beurteilen Sie diesen Schritt als:
völlig in Ordnung akzeptabel unfair sehr unfair
Der Baumarkt verhält sich nach dem ökonomischen Standardmodell völlig angemessen: Er reagiert auf die erhöhte Nachfrage mit einer Preiserhöhung. Die Teilnehmer der Umfrage waren anderer Ansicht: 82 Prozent beurteilten die Aktion als »unfair« oder »sehr unfair«. Offenkundig betrachteten sie den Preis vor dem Schneesturm als einen Referenzpunkt und den erhöhten Preis als einen Verlust, den der Baumarkt seinen Kunden auferlegte – nicht weil er dazu gezwungen war, sondern einfach weil er es konnte. Wir fanden heraus, dass eine grundlegende Fairnessregel besagt, dass es nicht akzeptabel ist, seine Marktmacht zu dem Zweck auszunutzen, anderen Verluste aufzuerlegen. Das folgende Beispiel veranschaulicht diese Regel in einem anderen Rahmen (die
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