Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)
Schmerzen gefragt, die sie gerade in diesem Moment verspürten. Die hier gezeigten Daten liegen auf einer Skala, auf der null »schmerzfrei« und zehn »unerträgliche Schmerzen« bedeutet. Wie Sie sehen können, hatten beide Patienten während der Untersuchung, die acht Minuten für Patient A und 24 Minuten für Patient B dauerte (die letzte Ablesung eines Schmerzes von null wurde nach dem Ende der Untersuchung aufgezeichnet), sehr unterschiedliche Schmerzerlebnisse. An dem Experiment nahmen insgesamt 154 Patienten teil; die kürzeste Untersuchung dauerte vier, die längste 69 Minuten.
Abbildung 15
Betrachten Sie als Nächstes eine leichte Frage: Angenommen, die beiden Patienten benutzten die Schmerzskala in ähnlicher Weise, welcher Patient litt dann mehr Schmerzen? Das ist offensichtlich. Es besteht allgemeines Einvernehmen darüber, dass es Patient B schlechter ging. Patient B verbrachte mindestens so viel Zeit wie Patient A auf jeder Stufe der Schmerzintensität, und die »Fläche unter der Kurve« ist bei B eindeutig größer als bei A. Ausschlaggebend ist dabei natürlich die Tatsache, dass die Untersuchung von B viel länger dauerte. Ich werde die Messwerte auf der Basis von Berichten über das momentane Schmerzempfinden »Hedonimeter-Gesamtsummen« nennen.
Am Ende sollten alle Teilnehmer die Gesamtsumme der Schmerzen angeben, die sie während der Untersuchung erlebt hatten. Diese Formulierung sollte sie dazu ermuntern, an die Gesamtheit der Schmerzen zu denken, die sie angegeben hatten; auf diese Weise sollten sie die Hedonimeter-Gesamtsummen reproduzieren. Erstaunlicherweise taten die Patienten nichts dergleichen. Die statistische Analyse enthüllte zwei Befunde, die ein Muster verdeutlichen, das wir bereits bei anderen Experimenten beobachtet haben:
– Höchststand-Ende-Regel: Die globale Einstufung in der Rückschau wurde von der durchschnittlichen Schmerzintensität im schlimmsten Moment des Experiments und an seinem Ende gut vorhergesagt.
– Vernachlässigung der Dauer: Die Dauer der Untersuchung hatte nicht die geringste Auswirkung auf die Einschätzung der Schmerzsumme.
Wir können diese Regeln jetzt auf die Profile der Patienten A und B anwenden. Das schlimmste Rating (acht auf der Zehn-Punkte-Skala) war für beide Patienten gleich, aber das letzte Rating vor dem Ende der Untersuchung war sieben für Patient A und nur eins für Patient B. Daher lag der Höchststand-Ende-Mittelwert bei 7,5 für Patient A und nur bei 4,5 für Patient B. Erwartungsgemäß behielt Patient A eine viel schlechtere Erinnerung an die Episode als Patient B. Es war Pech für Patient A, dass die Untersuchung in einem schmerzhaften Moment endete und so eine unangenehme Erinnerung bei ihm zurückließ.
Wir haben jetzt ein überreiches Angebot: zwei Maße des Erfahrungsnutzens – die Hedonimeter-Gesamtsumme und die retrospektive Einschätzung –, die sich systematisch voneinander unterscheiden. Die Hedonimeter-Gesamtsummen werden von einem Beobachter aus den von einer Person berichteten momentanen Schmerzerfahrungen berechnet. Wir nennen diese Urteile »durationsgewichtet«, weil die Berechnung der »Fläche unter der Kurve« alle Momente gleich gewichtet: Zwei Minuten Schmerzen der Intensitätsstufe neun sind doppelt so schlecht wie eine Minute auf dem gleichen Schmerzniveau. Doch die Ergebnisse dieses Experiments und anderer Untersuchungen zeigen, dass die retrospektiven Einschätzungen nicht von der Dauer beeinflusst werden und zwei bestimmte Momente – den Höchststand und das Ende – viel stärker gewichten als andere. An welchem Maß sollten wir uns orientieren? Was sollte der Arzt tun? Die Entscheidung hat Auswirkungen auf die medizinische Praxis. Wir trafen folgende Feststellungen:
– Wenn es darum geht, die Schmerzerinnerung der Patienten zu verringern, könnte die Senkung der höchsten Schmerzintensität wichtiger sein als die Reduktion der Untersuchungslänge. Aus dem gleichen Grund mag eine allmähliche Linderung einer abrupten Linderung vorzuziehen sein, falls die Patienten die Untersuchung in besserer Erinnerung behalten, wenn die Schmerzen an deren Ende vergleichsweise milde sind.
– Wenn es darum geht, die tatsächlich erlebte Schmerzmenge zu reduzieren, mag die schnelle Durchführung der Untersuchung die geeignete Maßnahme sein, auch wenn dies die höchste Schmerzintensität steigert und Patienten eine schreckliche Erinnerung an die Untersuchung behalten werden.
Welches dieser beiden Ziele
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