Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)
nicht auf naive Probanden beschränkt. Eine Studie über die statistischen Intuitionen von erfahrenen forschenden Psychologen 9 enthüllte einen nachhaltigen Glauben in das, was man das »Gesetz der kleinen Zahlen« nennen könnte, dem zufolge auch kleine Stichproben höchst repräsentativ für die Grundgesamtheiten sind, denen sie entnommen wurden. In den Antworten dieser Forscher spiegelte sich die Erwartung wider, dass eine gültige Hypothese über eine Population durch ein statistisch signifikantes Ergebnis in einer Stichprobe repräsentiert wird, deren Größe nicht weiter von Belang wäre. Infolgedessen überbewerten die Forscher die Aussagekraft von Ergebnissen kleiner Stichproben, und sie überschätzen in erheblichem Umfang die Replizierbarkeit solcher Ergebnisse. Bei der praktischen Durchführung von Forschungsprojekten bewirkt diese Verzerrung, dass Stichproben unzulänglicher Größe ausgewählt und Studienergebnisse überinterpretiert werden.
Unempfindlichkeit für Vorhersagbarkeit. Menschen sollen manchmal numerische Vorhersagen machen, etwa über den zukünftigen Kurs einer Aktie, die Nachfrage nach einer Ware oder den Ausgang eines Footballspiels. Solche Vorhersagen erfolgen oftmals auf der Basis der Repräsentativität. Nehmen wir zum Beispiel an, jemand erhält eine Beschreibung eines Unternehmens und er soll nun dessen zukünftigen Gewinn vorhersagen. Wenn das Unternehmen sehr positiv beschrieben wird, wird ein sehr hoher Gewinn am repräsentativsten für diese Beschreibung erscheinen. Weder die Wirklichkeitstreue der Beschreibung noch das Ausmaß, in dem sie zutreffende Vorhersagen erlaubt, wirken sich darauf aus, wie positiv die Beschreibung ist. Wenn Menschen daher Vorhersagen ausschließlich auf der Basis der Vorteilhaftigkeit der Beschreibung machen,
werden sich die Zuverlässigkeit der empirischen Daten und die erwartete Vorhersagegenauigkeit nicht auf Vorhersagen auswirken.
Diese Form der Urteilsbildung verstößt gegen die normative statistische Theorie, in der die Extremität und die Spannweite der Vorhersagen durch Vorhersagbarkeitserwägungen kontrolliert werden. Wenn die Vorhersagbarkeit gleich null ist, sollte in allen Fällen die gleiche Vorhersage gemacht werden. Wenn die Beschreibungen von Unternehmen zum Beispiel keine Informationen enthalten, die für den Gewinn von Bedeutung sind, dann sollte für alle Unternehmen derselbe Wert (wie etwa der durchschnittliche Gewinn) vorhergesagt werden. Bei vollkommener Vorhersagbarkeit werden die vorhergesagten Werte mit den tatsächlichen Werten übereinstimmen, und die Spannweite der Vorhersagen wird sich mit der Spannweite der Ergebnisse decken. Im Allgemeinen gilt: Je höher die Vorhersagbarkeit, desto größer die Spannweite der vorhergesagten Werte.
Mehrere Studien über numerische Vorhersage haben gezeigt, dass intuitive Vorhersagen diese Regel verletzen und dass Probanden Vorhersagbarkeitserwägungen keine oder nur eine geringe Beachtung schenken. 10 In einer dieser Studien wurden Probanden mehrere Absätze Text dargeboten, die jeweils die Leistung eines Lehramtsreferendars in einer Lehrprobe beschrieben. Einige Probanden wurden aufgefordert, die Qualität der in dem Absatz beschriebenen Unterrichtsstunde im Verhältnis zu einer näher beschriebenen Population in Prozenträngen (Perzentil-Scores) zu bewerten. Andere Probanden sollten, ebenfalls in Prozenträngen, die Stellung jedes Referendars fünf Jahre nach der Lehrprobe vorhersagen. In beiden Bedingungen waren die Urteile gleich. Das heißt, die Vorhersage eines zukünftigen Kriteriums (Erfolg eines Lehrers nach fünf Jahren) war identisch mit der Bewertung der Informationen, auf denen die Vorhersage beruhte (die Qualität der Lehrprobe). Die Studenten, die diese Vorhersagen machten, waren sich zweifellos der beschränkten Vorhersagbarkeit der pädagogischen Kompetenz auf der Basis einer einzigen Lehrprobe fünf Jahre zuvor bewusst; trotzdem hatten ihre Vorhersagen die gleiche Spannweite wie ihre Bewertungen.
Die Illusion der Gültigkeit. Wie wir sahen, verfahren Menschen bei Vorhersagen oftmals so, dass sie jenes Ergebnis (zum Beispiel eine Berufstätigkeit) auswählen, das am repräsentativsten für den Input (zum Beispiel die Beschreibung einer Person) ist. Das Ausmaß, in dem sie von der Richtigkeit ihrer Vorhersage überzeugt sind, hängt in erster Linie von dem Grad der Repräsentativität ab
(das heißt von der Qualität der Übereinstimmung zwischen dem
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