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Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)

Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)

Titel: Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Kahneman
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gelesen: Bei der schlechten Schrift war die Leistung besser. Eine starke kognitive Beanspruchung mobilisiert, unabhängig von ihrer Ursache, System 2, das die von System 1 vorgeschlagene intuitive Antwort eher verwirft.

Leichtigkeit, Stimmung und Intuition
    Um 1960 herum glaubte ein junger Psychologe namens Sarnoff Mednick, er habe das Wesen der Kreativität ergründet. Seine Idee war ebenso einfach wie überzeugend: Kreativität basiert auf einem außergewöhnlich gut funktionierenden assoziativen Gedächtnis. Er entwickelte einen Test, den sogenannten Remote Association Test (RAT), der noch immer in Kreativitätsstudien vielfache Anwendung findet.
    Ein einfaches Beispiel liefern die folgenden drei Wörter:
    Hütte
Schweiz
Kuchen
(cottage)
(Swiss)
(cake)

    Fällt Ihnen ein Wort ein, das mit all diesen drei Wörtern assoziiert ist? Vermutlich kommen Sie darauf, dass die Antwort »Käse« lautet. Versuchen Sie es jetzt bei folgender Kombination:
    Hechtsprung/Sturzflug
Licht
Rakete
(dive)
(light)
(rocket)
    Dieses Problem ist viel schwieriger, aber es hat nur eine richtige Antwort, die jeder Sprecher des Englischen erkennt, auch wenn weniger als 20 Prozent einer Stichprobe von Studenten sie innerhalb von 15 Sekunden fanden. Die Antwort lautet »Himmel« . Selbstverständlich hat nicht jede Worttriade eine Lösung. So haben beispielsweise die Wörter »Traum«, »Ball«, »Buch« keine gemeinsame Assoziation, die von allen als gültig anerkannt wird.
    Mehrere deutsche Forschergruppen, die in den letzten Jahren mit dem RAT arbeiteten, haben bemerkenswerte Erkenntnisse über die kognitive Leichtigkeit zutage gefördert. Eine der Gruppen wollte folgende Fragen klären: Spüren Menschen, dass eine Worttriade eine Lösung besitzt, bevor sie wissen, was diese Lösung ist? Wie beeinflusst die Stimmungslage die Leistung bei dieser Aufgabe? Um dies herauszufinden, veränderten sie die Stimmungslage ihrer Probanden zum Positiven oder zum Negativen, indem sie sie aufforderten, mehrere Minuten lang über glückliche oder traurige Episoden in ihrem Leben nachzudenken. Anschließend boten sie diesen Versuchspersonen eine Reihe von Dreiwortgruppen dar, die Hälfte davon assoziativ verknüpft (wie etwa »Hechtsprung«, »Licht«, »Rakete«) und die andere Hälfte nicht assoziativ verknüpft (wie etwa »Traum«, »Ball«, »Buch«), und wiesen sie an, sehr schnell eine von zwei Tasten zu drücken, um anzugeben, ob sie eine assoziative Verknüpfung vermuteten oder nicht. 20 Die erlaubte Zeitspanne für diese Einschätzung  – zwei Sekunden – war viel zu kurz, um das Problem gründlich zu durchdenken und die richtige Antwort zu finden.
    Die erste Überraschung bestand darin, dass die Vermutungen sehr viel öfter zutreffend waren, als dies bei einer reinen Zufallsauswahl der Fall gewesen wäre. Ich finde dies erstaunlich. Ein Gefühl kognitiver Leichtigkeit wird offenbar durch ein sehr schwaches Signal aus der Assoziationsmaschine erzeugt, die »weiß«, dass die drei Wörter kohärent sind (eine Assoziation gemeinsam haben) – lange bevor die Assoziation abgerufen wird. 21 Die Rolle kognitiver Leichtigkeit bei solchen Urteilsprozessen wurde von einer anderen deutschen Gruppe bestätigt: Manipulationen, die die Flüssigkeit der kognitiven
Verarbeitung erhöhen (Priming, klare Schriftart, vorhergehende Darbietung von Wörtern), steigern die Neigung, assoziative Verknüpfungen zwischen Wörtern zu erkennen. 22
    Eine weitere bemerkenswerte Entdeckung ist der starke Einfluss der Stimmungslage auf diese intuitive Leistung. Die Experimentatoren berechneten einen »Intuitionsindex«, um die Treffgenauigkeit zu messen. Sie fanden heraus, dass sich die Treffgenauigkeit mehr als verdoppelte, wenn sie die Probanden vor dem Test in eine gute Stimmungslage versetzten, indem sie ihnen positive Gedanken eingaben. 23 Noch bemerkenswerter war der Befund, dass deprimierte Probanden bei der intuitiven Aufgabe völlig versagten; ihre Vermutungen lagen innerhalb der statistischen Zufallserwartung. Die Stimmungslage wirkt sich offenkundig auf die Operation von System 1 aus: Wenn wir uns unwohl und unzufrieden fühlen, verlieren wir den Kontakt zu unserer Intuition.
    Diese Ergebnisse fügen sich ein in die wachsende Zahl von empirischen Befunden, die darauf hindeuten, dass eine positive Stimmungslage, Intuition, Kreativität, Leichtgläubigkeit und zunehmende Beanspruchung von System 1 ein Cluster bilden. 24 Andererseits sind auch Niedergeschlagenheit,

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